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Archiv-Artikel

Angebot für die Angels

Im Prozess gegen eine Gruppe Hells Angels bietet das Gericht einen Deal an: Sollten die Angeklagten den Überfall auf einen rivalisierenden Klub gestehen, können sie mit Strafnachlass rechnen

AUS HANNOVER JÜRGEN VOGES

Wegen eines brutalen Überfalls auf eine konkurrierende Rockergruppe stehen seit Montag in Hannover 14 Mitglieder der Hells Angels vor Gericht. Laut Anklage sollen die Rocker vom MC Westside Bremen im benachbarten Stuhr fünf Mitglieder der Konkurrenzorganisation „Bandidos“ mit Axtstielen verprügelt sowie ihnen Vereinsinsignien und einen Computer geraubt haben. Die Anklage wirft ihnen gefährliche Körperverletzung und schweren Raub vor. Ihnen drohen bis zu 15 Jahre Haft.

Die 14 Rocker können allerdings auf weitaus mildere Strafen hoffen. Der vorsitzende Richter Jürgen Seifert, der für diesen Prozess aus Gründen der Raumknappheit mit seiner Strafkammer von Verden in den hannoverschen Schwurgerichtssaal umgezogen ist, bot den 17 Verteidigern schon am ersten Prozesstag einen Deal an.

Im Anschluss an die öffentliche Verhandlung zogen sich Gericht, Staatsanwälte und Verteidiger zu einem nicht öffentlichen Rechtsgespräch zurück. Wie es anschließend aus Verteidigerkreisen hieß, soll die Kammern den Angeklagten angeboten haben, gegen ein Geständnis des Überfalls den Vorwurf des Raubes fallen zu lassen und dafür nicht mehr als zwei Jahre Haft auszusprechen.

Die Angeklagten, bei denen keine vorherigen Verurteilungen einzubeziehen sind, könnten bei einem solchen Deal mit einer Bewährungsstrafe davonkommen. Allerdings wollen dennoch nicht alle Angeklagten den Deal akzeptieren. Sein Mandant beharre auf seiner Unschuld und werde kein Geständnis ablegen, sagte der Hamburger Rechtsanwalt Wolfgang Zauner im Anschluss an das Rechtsgespräch.

Folgt man der zum Prozessauftakt verlesen Anklage, so war der Überfall der Hells Angels auf fünf Bandidos im März 2006 generalstabsmäßig geplant. Die 14 mutmaßlichen Täter fuhren demnach mit Autos und nicht mit ihren Maschinen zum Vereinsheim der Bandidos in Stuhr, zogen sich dort Sturmhauben über und bewaffneten sich mit mitgebrachten Axtstielen. Fünf Bandidos, darunter auch der Regionalchef der Konkurrenzorganisation, wurden dann mit den Axtstielen brutal malträtiert und erlitten schwere Verletzungen.

Mit Hilfe eines vorgehaltenen Messers erzwangen die Hells Angels laut Anklage die Öffnung des Vereinstresors der Konkurrenz. Sie nahmen den Computer der Bandidos mit und alles, was deren Emblem trug: eine Jacke, ein T-Shirt, eine Geldbörse und einen Stapel Aufnäher.

Die Ermittlungen nach dem Überfall gestalteten sich schwierig. Auch die überfallenen Bandidos wollten laut Staatsanwaltschaft keine Hinweise auf die Tätern geben. Erst zwei Jahre nach dem Überfall packte einer der Hells Angels aus. Er ist zwar mit angeklagt, dient der Staatsanwaltschaft aber zugleich als eine Art Kronzeuge. Wie ein zweiter Angeklagter, der mittlerweile ebenfalls den Höllenengeln den Rücken gekehrt hat, sitzt er nicht in Untersuchungshaft und durfte gestern zusammen mit den 17 Verteidigern im Gerichtssaal Platz nehmen. Die Anklagebank blieb den zwölf Hells Angels, die in U-Haft sind, vorbehalten.

Eines der Opfer des Überfalls, der Chef der Bandidos-Gruppe aus Stuhr, wurde im Juni in Münster wegen Mordes verurteilt. Er war nach dem Überfall in Stuhr von den Bandidos seines Postens enthoben worden. Zusammen mit einem weiteren Bandido erschoss er im Mai 2007 in Ibbenbüren einen Motorradhändler, der Mitglied der Höllenengel war. Der Rocker habe sich bei den Hells Angels für seine Degradierung rächen wollen, stellte das Landgericht Münster in seinem Urteil fest.

Die angeklagten Rocker im Alter von 32 bis 47 Jahren präsentierten sich gestern als kräftige, stämmige Männer, meist mit kurzen Haaren und Tätowierungen. Auch im Zuschauerraum des hannoverschen Schwurgerichtssaals war dieser Typus Mann mittleren Alters klar in der Mehrheit. Mit den von ihnen genannten Berufen wie Lagerist, Auslieferungsfahrer, Schlosser oder Arbeitsloser stehen die Rocker sicher nicht an der Spitze der Einkommensskala.

Allerdings geht das niedersächsische Landeskriminalamt davon aus, dass die Hells Angels und Bandidos noch andere Einnahmen haben. Beide Gruppen seien in der Nähe der organisierten Kriminalität anzusiedeln, sagte LKA-Sprecher Frank Federau. Die Mitglieder hätten oft Vorstrafen wegen Gewalt-, Waffen- und Drogendelikten oder Zuhälterei. „Hinter Gebietsstreitigkeiten wie in Bremen stehen meist wirtschaftliche Interessen“, sagte der LKA-Sprecher. Schließlich würden die Rockerklubs oft als Sicherheitsdienste bei Veranstaltungen auftreten.