Bis zum nächsten Hänger

Durchwachsene Saison: Hertha BSC benötigt heute gegen Kaiserslautern einen Sieg, um noch die Grundlage für den Sprung auf einen Uefa-Cup-Platz zu schaffen

Vor dem heutigen letzten Punktspiel der Saison wurde Herthas Manager Dieter Hoeneß deutlich: „Das ist eine Frage des Stolzes und der Ehre.“ Für den Tabellensechsten zählt nach drei Niederlagen nur ein Sieg gegen Kaiserslautern und die Hoffnung auf einen Ausrutscher von Bremen und Hamburg. Sonst erfolgt der Absturz in den ungeliebten UI-Cup. Zu wenig für einen Verein, der mit knapp 46 Millionen Euro den fünfthöchsten Etat der Liga hat und mit drei vermeintlichen Topspielern aus Brasilien mittelfristig zu den großen drei im deutschen Fußball gehören wollte. Die Konkurrenz aus Bayern und Dortmund scheint momentan jedoch Meilen entfernt.

Dabei war die Stimmung zum Saisonstart so gut wie selten zuvor. Mit Huub Stevens war endlich ein international bekannter Trainer in der Hauptstadt, der nun bitte auch die Erfolge, die er mit Schalke 04 hatte, wiederholen sollte. Die Spieler freuten sich und klatschten nach Beendigung der ersten Trainingseinheit brav Beifall. Auch Manager Dieter Hoeneß ließ sich hinreißen: „Unser Wunschziel ist ein Platz unter den ersten drei, unser Pflichtziel ein internationaler Wettbewerb.“ Nur zu verständlich, angesichts des neuen Weltmeisters Luizão, den Herthas Chefscout Rudi Wojtowicz in den höchsten Tönen lobte: „Er kann alles, er braucht nur Bälle.“ Außerdem ziehe es ihn vors Tor wie die Eisenspäne zum Magneten.

Ohne seine Begabung anzuzweifeln: Er wusste sie in der ablaufenden Spielzeit vorzüglich zu verstecken. In 19 Spielen hat er sich gerade zweimal erfolgreich vom Tor anziehen lassen und einen Treffer erzielt. Auch Landsmann Alex Alves konnte die Erwartungen nicht erfüllen, so dass der mit 7,6 Millionen Euro teuerste Einkauf der Vereinsgeschichte jetzt für etwa eine halbe Million ziehen darf.

Die erste Partie dieser Spielzeit bestätigte noch die Erwartungen durch ein 2:2 in Dortmund. Der erste Punktgewinn im Westfalenstadion seit 25 Jahren! „Wir sind schon ein bisschen wie eine Spitzenmannschaft“, schwärmte Trainer Huub Stevens. Dass darauf zwei weitere Remis folgten, die von einer Niederlage abgelöst wurden, trübte die Stimmung etwas. Als Tiefpunkt folgte das Pokalaus gegen Holstein Kiel, den Tabellenletzten der Regionalliga. Immer wieder drohte Hertha im Mittelmaß und damit, gemessen an den Ansprüchen, in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Um das zu verhindern, musste Oldie Michael Preetz noch einmal zu alter Torgefährlichkeit auflaufen. Ansonsten hing der Erfolg unmittelbar von der Form des Spielmachers Marcelinho ab.

Konstant blieb in der Berliner Öffentlichkeit der Blick nach oben, träumen wird ja wohl erlaubt sein. Ein Gastspiel auf den Uefa-Cup-Rängen hatte sofort das Liebäugeln mit der Champions League oder gar der Meisterschaft zur Folge. Bis zum nächsten Hänger.

Ob das nächste Jahr den Durchbruch bringt, mag bezweifelt werden, nachdem die lukrative Teilnahme an Europas Eliteklasse erneut verpasst wurde. Um zu Teams wie Bayern und Dortmund aufzuschließen, scheint Neuzugang Fredi Bobic, der in Dortmund immerhin aussortiert wurde, der ungeeignete Kandidat. Auch die zweite Verpflichtung, Artur Wichniarek aus Bielefeld, wird das Niveau nicht wesentlich anheben können. Vielleicht also doch wieder ein brasilianisches Supertalent holen, das als Ersatzspieler Weltmeister geworden ist?

MIKE-OLIVER WOYTH