Rosige Zeiten für Tellerwäscher

Beim Umweltfestival am Brandenburger Tor ist Einweggeschirr nicht gestattet. Ein Spülmobil bewältigt Teller von 150.000 BesucherInnen. Mehrweggeschirr ist auch bei anderen Großveranstaltungen möglich und vorgeschrieben

„Der Laden brummt“, behauptet Spülmeister Stephan Schmeckebier, 44. Genau genommen brummen die drei Spülmaschinen des Spülmobils. Diese eher unscheinbare, aber zentrale Einrichtung auf dem Umweltfestival 2003 am Sonntag Unter den Linden ist der neuralgische Punkt für das „Null-Müll-Konzept“, das den größten europäischen Ökomarkt auszeichnet.

Seit dem ersten Umweltfestival 1995 mit zwei Dutzend Ständen hat die veranstaltende „Grüne Liga“ den Anspruch, keinen Abfalldienst in Anspruch zu nehmen, erläutert Stefan Richter, Geschäftsführer des Umweltverbandes. Inzwischen sind es 220 Marktstände und 150.000 BesucherInnen geworden, die sich über ökologische Produkte und erneuerbare Energien informieren möchten. Solardächer funkeln in der Sonne, Windkraftanlagen werden bestaunt und Elektroroller ausprobiert. Und für das Kulinarische sorgen Ökobauern, die zum größten Teil ihre Waren als Direktvermarkter selbst verkaufen.

Bei der seit neun Jahren realisierten Idee des abfallfreien Umweltmarktes ist das einigermaßen simple Konzept immer gleich geblieben: Plastik- oder Pappgeschirr sind tabu. Die Stände entsorgen ihren Müll, der durch Servietten oder Essensreste anfällt, selbst. Die Anbieter können beim Spülmobil Geschirr aus Porzellan leihen, das die hungrigen BesucherInnen beim Essenskauf gegen die Pfandgebühr von einem Euro erhalten. Das Pfand bekommen sie bei Rückgabe am Spülmobil wieder ausgezahlt. Thomas Adamciez vom vegetarischen Imbiss kann aus seiner Erfahrung der letzten Jahre über die Reaktion seiner KundInnen sagen: „Das ist völlig in Ordnung für alle.“ Der Minimalaufwand beim Zurückbringen zum Spülmobil habe zwar bei einigen Unmut erzeugt. Aber auch das Problem ist dieses Jahr unkompliziert gelöst worden: An den Ständen abgegebenes Geschirr wird von Zeit zu Zeit mit einem Lastenfahrrad eingesammelt, bei Spülmeister Schmeckebier gewaschen und wieder verteilt.

Schmeckebier, der sich selbst als Tellerwäscher deklariert und in dieser Funktion bestens mit dem Geheimwissen des Spülens vertraut ist, weiß, dass sich die Mehrweg-Variante auch bei anderen Großevents realisieren lässt. Er selbst habe bereits auf dem Altrixer Weinhnachtsmarkt an drei Tagen 140.000 Geschirrteile „durchgeschleust“. Auch die Berliner Stadtreinigung (BSR) als Sponsor der Spülmobils ist vom Erfolg einer Spülzentrale überzeugt. „Schon ab 500 Gästen lohnt sich das Spülmobil“, erklärt Uta Kröbel, Sprecherin der BSR-Abfallberatung. Außerdem sei der Gebrauch von Einweggeschirr auf Veranstaltungen „im Prinzip immer illegal“. Damit verweist sie auf eine Verordnung der Stadt Berlin (AVUMVOL), die schon seit März 1995 ausschließlich Mehrweggeschirr bei Großveranstaltungen erlaubt. Schade nur, dass sich niemand so wirklich daran hält. Sogar noch auf dem Umweltfestival griff so mancher Besucher dann doch lieber zur Papierserviette als Kuchenunterlage, um sich den Pfandgang mit einem Leihteller zum Spülmobil zu sparen. Immerhin: Schon jetzt werden Müllkonzepte ausgeklügelt, die die Fußballweltmeisterschaft 2006 nachhaltig gestalten sollen. PAMO ROTH