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Archiv-Artikel

Utopielos, aber mit Spaß

Verspielt, komödiantisch und seiner Erlösungsutopie beraubt präsentiert Regisseurin Barbara Beyer „Warten auf Godot“ mit vier herausragend agierenden Schauspielern am Theater Aachen

Der 80-jährige Heino Chors will in die Politik, der junge Dennis Pöpping will weiter am Theater spielen

VON STEFANIE TYROLLER

Wladimir (Laurens Walter) und Estragon (Denis Pöpping) sind zwei testosterongesteuerte Jugendliche, die mit vollem Körpereinsatz und blühender Fantasie ihre Zeit totschlagen. Sie schmettern mal ihre Schuhe, mal sich selbst im simulierten Squash-Spiel gegen die bräunliche Wand. Mal wollen sie sich um des sexuellen Kicks willen mit einem Schnürsenkel an einem kargen Bäumchen aufhängen.

Sie plappern sich gegenseitig die Ohren voll und wenn Estragon davon genervt die Bühne verlässt, präsentiert Wladimir mit französischem Akzent dem verdutzten Publikum die biblische Kreuzigungsgeschichte in einer prächtigen kleinen Solo-Tanznummer. Der Feind der beiden ist die Einfallslosigkeit, die sich als wuchtige Stille zwischen ihre Aktionen schiebt. Dann sitzen sie minutenlang da, kratzen sich verlegen am Arm und wissen überhaupt nicht, was sie tun sollen.

Mit einer beeindruckenden Lichtregie erreicht das Inszenierungsteam dabei auf der kargen Bühne eine fein abgestimmte, differenzierte Spiegelung dieser abrupten Stimmungswechsel. In dem verzweifelten Wettstreit der Unterhaltung unterscheiden sich die Figuren wenig von den alten Landstreichern in Becketts Textvorlage. Doch Beyers Figuren ist die Hoffnung auf Godots Ankunft abhanden gekommen. Sie spielen sich und dem Publikum Theater vor, um ihre Langeweile, ihre Nutz- und Ziellosigkeit zu vergessen. Um das Spiel im Spiel zu demonstrieren lässt Beyer Pozzo und Lucky schon mal zu früh auf- und schnell wieder abtreten, überlässt Pozzo seine Rolle Wladimir, spielt Estragon den Boten von Godot oder die beiden Jungs setzen sich ins Publikum, um Pozzos Vortrag zu lauschen.

Dieser Pozzo (Lorenz Claussen) wirkt wie eine Mischung aus Zirkusdompteur und Thomas Gottschalk, dem außer dem Wunsch nach öffentlicher Wahrnehmung nichts mehr geblieben ist. Lucky hingegen, besetzt mit dem beeindruckenden 80-jährigen Heino Chors, verkörpert trotz der erniedrigenden Position an der Leine von Pozzo eine Würde und Ernsthaftigkeit, als wäre er der real existierende Gegenpol zu den utopielosen anderen drei Gestalten. Fast wirkt es, als wollte Regisseurin Beyer dem Autor Beckett selbst mit dieser Figur ein Denkmal setzen.

Zum Schluss bleiben die Figuren unentschlossen, ob sie gehen sollen oder nicht. Die Schauspieler wissen dagegen, wo es hingeht: Der 80-jährige Heino Cohrs will in die Politik, der junge Dennis Pöpping will weiterhin am Aachener Theater spielen. Das ist ein guter Gag aber auch eine klare Botschaft. Es gibt genug zu tun. Warten wir es ab.

Warten auf Godot20:00 Uhr, Theater AachenKarten: 0241-4784244