: Jetzt soll Breckerfeld siegen
Überraschende Wende bei der Bewerbung um die Kulturhauptstadt. Nach nächtlicher Sitzung schicken der KVR und Stadt Essen die Gemeinde Breckerfeld ins Rennen: „Es geht ums Aha-Erlebnis“
VON CHRISTOPH SCHURIAN
Es war ihnen sichtlich schwer gefallen. Die Strapazen der Nacht sah man den Kulturstrategen noch an, als sie gestern Mittag in Essen vor die Presse traten. Müde und doch bestimmt verkündete Essens Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger (CDU) die Wende: Statt Essen als „Bannerträger des Ruhrgebiets“ (Reiniger) ins Rennen um die Kulturhauptstadt Europas zu schicken, einigten sich in der Nacht zum Mittwoch die Stadt und der Verbandsdirektor des Kommunalverbandes Ruhrgebiet (KVR), Gerd Willamowski, auf einen Überraschungscoup: Gestern vormittag übergaben sie NRW-Kulturminister Michael Vesper (Grüne) die Bewerbungsschrift des Ruhrgebiets. Doch statt Essen wurde die Gemeinde Breckerfeld in den Wettbewerb geschickt.
Nach „reiflichen“ Überlegungen, so Reiniger, habe man sich dazu entschlossen. Die Städte Europas würden sich wandeln, so der CDU-Politiker: „Viele ehemals städtische Funktionen sind an Regionen übergegangen, die Region ist die Stadt!“ Um das zu unterstreichen und nicht in den Verdacht zu kommen, als Stadt Essen nur das „eigene Süppchen“ kochen zu wollen, sei man auf Breckerfeld im Ennepe-Ruhr-Kreis gekommen.
Für Willamowski dokumentiert der mutige Schritt eindrucksvoll das „Alleinstellungsmerkmal“ der Bewerbung des Ruhrgebiets als Kulturhauptstadt Europa 2010. „Es gibt viele Kulturstädte“, sagte der KVR-Chef mit einem kämpferischen Seitenblick auf die konkurrierenden Bewerber aus Köln und Münster, „aber es gibt nur eine Kulturhauptstadt!“ Das Revier sei eine Ansammlung von Kulturstädten, die Bewerbung aber eine „Sache der Region“. Breckerfeld stehe stellvertretend für eine überreiche Kulturlandschaft an der Ruhr: „Darin finden sich alle wieder, ob Xanten, Nord-Haltern oder eben Essen – ein Gewinner steht schon fest, es ist das Ruhrgebiet!“, freute sich Willamowski.
Auch Professor Georg Költzsch, Moderator der Kulturhauptstadtbewerbung des Ruhrgebiets, zeigte sich erlöst. Er könne sich bruch- und nahtlos den Ausführungen seiner Vorredner anschließen, das wichtigste sei das gewesen, was vorher aussichtslos erschien, so der ehemalige Leiter des Folkwang-Museums in Essen: „Als wir mit unserer Arbeit begonnen haben, hielten wir es für aussichtslos, dass man sich auf eine regionale Bewerbung einigt“ – doch das Revier habe sich gewandelt, es verstehe sich als „Ballungsraum“.
Költzsch verwies auf potente Unterstützer wie die Wochenzeitung Zeit, die Unesco oder den Bundesaußenminister, der zum „horizontalen“ Denken aufrufe. „Jetzt liegt es an den Entscheidern in Land und Bund, sich für das Abenteuer oder die Gemütlichkeit zu entscheiden!“ Mit Blick auf Breckerfeld schloss der Kunsthistoriker mit einem bemerkenswerten Satz: „Europa hat dieser Region so viel gegeben, jetzt wollen wir zeigen, was wir daraus gemacht haben.“