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Archiv-Artikel

Der Rassismus fährt mit

Im „Quatschkanal“ der Taxifahrer häufen sich ausländerfeindliche und rassistische Äußerungen. Zuständige geben sich bedeckt. Täter können nicht ermittelt werden

Ertugrul S. stellt seine Funkanlage auf Kanal Fünf, unter Berliner Taxifahrern auch bekannt als „Quatschkanal“. Doch was in diesem Moment seine Kollegen durchsagen, hat mit Quatsch wenig zu tun: „Kanaken sind wie Salzsäure, sie fressen sich überall durch“ und „Nur tote Kanaken sind gute Kanaken“ verlautet es aus dem Äther. Ertugrul S. ist empört. Sein Fahrgast auch. Ertugrul ruft beim Vermittler in der Zentrale seiner Funkgesellschaft an, der Wirtschaftsgenossenschaft Berliner Taxibesitzer (WBT), um sich zu beschweren. Doch der lässt auf sich warten. Erst nach mehrmaligen Versuchen meldet er sich – und bestreitet, dass so etwas über Funk gelaufen ist. Es sei ohnehin nicht mehr nachprüfbar, wer gesprochen hat. „Scheiß Funk“, brüllt Ertugrul. Sie drohen ihm mit Lizenzentzug – wegen Beleidigung eines Kollegen.

Immer wieder laufen über die Funkkanäle der Taxifahrer fremdenfeindliche Beschimpfungen. Viele können das bestätigen. Hans Heim von der Kreuzberger Taxigenossenschaft erklärt sich das damit, dass rund 60 Prozent aller Berliner Fahrer Ausländer sind. Da entstehe bei den deutschen Kollegen häufig eine Konkurrenzsituation, die dann leicht in Rassismus münde. Das sei unter Taxifahrern bekannt. Nur: Die wenigsten beschweren sich.

Der Sprecher der Innung Berliner Taxifahrer will das nicht bestätigen. Von rassistischen Beschimpfungen habe er noch nicht häufig gehört. „Natürlich akzeptieren wir so etwas nicht“, sanktionieren könne er so etwas aber auch nicht, sagt der Sprecher. Auch das Landeseinwohneramt (LEA), das für die Vergabe der Taxilizenzen zuständig ist, kann keine verstärkte Fremdenfeindlichkeit bei deutschen Taxifahrern erkennen. „Wenn sich ein Fall bestätigt, würden wir natürlich sofort einschreiten“, versichert Dietmar Wisotzky, Mitarbeiter beim LEA. Ihm sei davon in letzter Zeit aber nichts zu Ohren gekommen.

Ertugrul gibt sich nicht so leicht geschlagen. Er schreibt einen Beschwerdebrief an den WBT. Und tatsächlich: WBT-Chef Dietmar Schmidt bestätigt den Vorfall. Inzwischen konnten seine Mitarbeiter sogar nachweisen, was gesagt wurde. Leider aber nicht, wer. Angesichts der mehr als 10.000 Fahrer, die ihre Frequenz benutzen, sei dies nicht möglich, argumentiert Schmidt. Zudem habe der Vermittler den Funk in diesem Moment nicht mithören können, weil er auf einer anderen Leitung einen Kunden bedienen musste. Immerhin: Dem Antrag, Ertugrul S. die Lizenz zu entziehen, wolle Schmidt nicht nachgehen.

FELIX LEE