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Chirac bringt keinen frischen Wind ins Kabinett

Nach der Wahlschlappe für Frankreichs Rechtsregierung bleibt eine überzeugende politische Wende aus

PARIS taz ■ Wenige Tage nach den Regionalwahlen, bei denen mehr als 50 Prozent der FranzösInnen der Linken ihre Stimme gegeben haben, hat Staatspräsident Jacques Chirac eine neue rechte Regierung vorgestellt. Mit Ausnahme von Transportminister Gilles de Robien (UDF) stammen alle Regierungsmitglieder aus der rechten Sammlungsbewegung UMP, die vor knapp zwei Jahren auf Chiracs Wunsch gegründet wurde. Im ersten Durchgang der Regionalwahlen, als sie mit autonomen Listen antraten, haben die KandidatInnen dieser „Union für eine präsidentielle Mehrheit“ (UMP) rund 23 Prozent bekommen – nicht einmal ein Viertel der Stimmen.

Diese Zahl zeigt, wie wenig die Regierung Raffarin III die Stimmung und die Erwartungen der FranzösInnen widerspiegelt. Diese Regierung ist ein Bunker, in den sich Chirac zurückgezogen hat, um die kommenden Stürme zu überstehen. Dazu gehören die absehbaren Proteste gegen die in diesem Frühjahr geplante „Reform“ der Sozialversicherung, bei der die Regierung, wie schon im vergangenen Jahr bei der Rente, Einsparungen im kollektiven Versicherungssystem vornehmen will.

Die Glaubwürdigkeit von Jean-Pierre Raffarin, dem alten und neuen Premierminister, ist durch die Regionalwahlen schwer erschüttert. Jetzt soll er bis zur nächsten politischen Krise als Punchingball wirken, um anschließend ausgetauscht zu werden. Er wird für Chirac geopfert werden.

Raffarin III ist eine Übergangsregierung. Geblieben sind die starken Männer des alten Kabinetts, die nach einem Bäumchen-Wechsel-dich-Spiel künftig auf neuen Sesseln ihre bisherige Politik fortsetzen werden. Geschasst wurden all jene MinisterInnen, denen schwere Fehler unterliefen und die schon länger ein Problem für Raffarin waren: darunter Luc Ferry (LehrerInnenproteste), Jean-Jacques Aillagon (Künstlerstreiks), Roselyne Bachelot (unselige Umweltpolitik) und Jean-François Mattei (Hitzetote). Geblieben sind harte Vertreter der UMP: Ex-Innenminister Nicolas Sarkozy muss sich in seinem erweiterten Wirtschafts- und Finanzministerium an dem französischen Rekorddefizit und den Erwartungen an die von Chirac versprochenen Steuersenkungen abarbeiten. Ex-Außenminister Dominique de Villepin, der im vergangenen Jahr Frankreichs Position gegen den Irakkrieg vertreten hat, kann sich im Innenministerium näher an die französischen Alltagsbefindlichkeiten begeben. Beide Männer – Sarkozy, den Chirac als Konkurrenten im eigenen Lager empfindet, und de Villepin, der jahrelang mit Chirac im Elysée-Palast gearbeitet hat – sind potenzielle künftige Premierminister.

Auch alle anderen großen Ministerien in Raffarin III, darunter das für „soziale Kohäsion“ (Borloo) und jenes für Erziehung (Fillon) sind mit bewährten Männern des alten Kabinetts besetzt. Und selbst von den neu in die Regierung geholten Gesichtern sind kaum frische Impulse zu erwarten. Sie stammen aus dem engsten Kreis der Chiraquie. Wie der Außenminister, Ex-EU-Kommissar Michel Barnier, ein langjähriger Vertrauter von Premierminster Raffarin, der Chiracs Kandidatur maßgeblich unterstützt hat. Eine Kurskorrektur der politischen Linie ist von dieser Regierung nicht zu erwarten. Im Gegenteil: Sie wird trotz der zu erwartenden gegenteiligen Absichtserklärungen noch härter vorgehen. DOROTHEA HAHN

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