: Presserat rügt Bremer Bild-Redaktion
Die öffentlich umstrittene Berichterstattung vom Oktober über eine libanesische Familie war „diskriminierend“
bremen taz ■ Ein wenig klein und verdruckst kam die Kurzmeldung auf Seite 3 der Bremer Bild-Ausgabe gestern daher. Unter dem Titel „Presserat rügt“, hatte die Bremer Redaktion sich aber immerhin den Gepflogenheiten gebeugt und – wenn auch sehr verkürzt – über die journalistische Backpfeife berichtet, die das Blatt sich anlässlich seiner umstrittenen Berichterstattung über vermeintliche „Asylabzocker“ vom Deutschen Presserat eingefangen hat. Es war eine von zwei Rügen, die das unabhängige Gremium „zur freiwilligen Selbstkontrolle gedruckter Medien“ auf seiner ersten Sitzung in diesem Jahr aussprach – und die Antwort auf eine Beschwerde vom vergangenen Oktober.
Anlass für die Beschwerde damals waren Inhalt und Tenor einer Bild-Serie über – volksnah ausgedrückt – angeblich kriminelle Libanesen, die das Blatt zeitnah zu Klagen des Innensenators über Abschiebehindernisse durch beispielsweise Gesundheitsatteste angeworfen hatte, unter den großen Überschriften „Die Asylabzocker“ oder „Hier wohnt Bremens schlimmste Asyl-Familie“. Letzteres garniert mit Foto vom Wohnhaus samt Straßennamen. Alles von anonymen Verfassern.
Als sei es lediglich verwerflich, die Identität von durch Bild entlarvten „Asylabzockern“ zu outen, textete die Redaktion nun, der Presserat habe „insbesondere die identifizierenden Angaben zum Wohnort der Familie“ gerügt – ein quasi journalistisch-ethischer Stolperstein, über den der geneigte Leser sich doch selbst eine Meinung machen möge, im Sinne vielleicht der nicht explizit aufgeworfenen Frage: Darf man solche Übeltäter denn heute nicht mehr beim Namen nennen? Als hätte der Beschwerdeausschuss des Presserats, einem Gremium aus Zeitungsverlegern, Journalisten und Gewerkschaftern, nicht deutlich formuliert: „Nach Meinung des Beschwerdeausschusses wird die betreffende Familie durch die beiden Artikel diskriminiert.“ Dies verstoße gegen Paragraf 12 des Pressekodex, wonach niemand wegen seines Geschlechts oder seiner Zugehörigkeit zu einer rassischen, ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden darf. Weiter heißt es: „In den Veröffentlichungen wird den Betroffenen ohne Tatsachenbezug Asyl- und Sozialbetrug unterstellt. In dem ersten Beitrag heißt es weiterhin, dass die Familie eine Abschebung dadurch verhindert habe, dass die Mutter vom Gesundheitsamt wegen eines Traumas krankgeschrieben wurde. Dies wertet die Redaktion ebenfalls ohne jeden tatsächlichen Anknüpfungspunkt als ‚juristischen Trick‘.“
Im Anschluss an die Berichterstattung, der auch eine parlamentarische Anfrage der CDU vorausgegangen war, hatte sich damals die Kirche zur Vermittlung eingeschaltet und dabei auch Nachbarn der Diskriminierten zum Gespräch eingeladen. Das Gesundheitsamt hatte sich gegen den Vorwurf einer nicht fachgerechten Diagnostik verwahrt. ede
Siehe auch www.presserat.de