„Feiger Mordanschlag“

Ein Molotowcocktail setzte die Wohnung einer Pastorin der Bremer Friedensgemeinde in Brand. Vermuteter Hintergrund: Einschüchterungsterror gegen Johann Kresniks Theater-Inszenierung „Die Zehn Gebote“

Von einer „Bremer Brandnacht“ sprach gestern die Polizei: Vier Einsätze, zwei Verletzte, 90.000 Euro Schaden. Normale Meldung. Bis bekannt wurde, dass eines der Feuer als Anschlag auf die 39-jährige Anne Heimendahl zu werten ist. Die Pastorin hat bei der Friedensgemeinde an der Humboldtstraße eine viertel Stelle und sich für die dortige Aufführung der Theaterinszenierung „Die Zehn Gebote“ von Johann Kresnik eingesetzt.

Polizeisprecher Dirk Siemering teilte gestern mit, dass gegen drei Uhr in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch ein Molotowcocktail in das Wohnzimmer des Hauses geschleudert worden sei, der die Einrichtung in Brand gesetzt hätte. Unter Schock und mit Verdacht auf Rauchvergiftung wurde das Ehepaar Heimendahl ins Krankenhaus eingeliefert. Ihre zwei, fünf und sieben Jahre alten Kinder konnten sich unversehrt ins Freie retten. Der Sachschaden wird auf 15.000 Euro beziffert. Zeugen aus der Nachbarschaft meinten gesehen zu haben, wie ,eine männliche Person“ vom Tatort weglaufen sei.

Dass im relativ freigeistigen Bremen ausgerechnet die Debatte um gesellschaftliche Marginalthemen wie Kirche und Kunst einige Menschen derart provozieren können, dass sie Anschläge auf Leib und Seele ihrer Mitbürger ausführen, scheint unbegreiflich. ,Dieser feige Mordanschlag macht mich sprachlos“, lässt sich der theologische Repräsentant der Bremischen Evangelischen Kirche, Pastor Louis-Ferdinand von Zobeltitz, zitieren.

Theater in der Kirche mit nackten Statistinnen und sexuellen Eindeutigkeiten – diese Tatsachen wurden gegen die ,,Zehn Gebote“-Inszenierung ins Feld geführt. So würde die Besonderheit des Gotteshauses entweiht, hieß es. Befürworter freuten sich, eine Diskussion entfacht zu haben, wie sie schon lange nicht mehr über die aktuelle Bedeutung christlicher Werte als Grundlage für unsere Gesellschaft geführt worden sei.

Schon die Proben des Choreografischen Tanztheaters mussten abgebrochen werden. Bild Bremen hatte geschrieben: ,Dieses Schock-Drehbuch besudelt unseren Dom.“ Die Berichterstattung habe den ,Charakter von Hetze“ angenommen, meint Zobeltitz. Woraufhin die Stimmung ,hysterisiert“ worden sei. Skepsis kochte zu zornigem Widerspruch hoch, Landesbischöfin Margot Käßmann köchelte mit, so dass die St. Petri-Gemeinde die Produktion im Dom verbieten musste. Sie fand Asyl in der Friedenskirche. Zur Premiere am 22. Januar dieses Jahres kam es zur friedlichen Mahnwache einiger Pastoren der Arbeitsgemeinschaft Missionskirchen (AMK). Fortan aber mussten Mitarbeiter des Büros der Friedensgemeinde Schmähanrufe ertragen. Friedensgemeinde-Pastor Bernd Klingbeil-Jahr sprach gestern auf einer Pressekonferenz davon, seit drei Monaten etliche Morddrohungen erhalten zu haben, die dem christlich-fundamentalistischen und rechtsextremen Spektrum zuzurechnen seien. Auch Klingbeil-Jahr sieht einen Grund für die aufkeimende Gewaltbereitschaft in der ,aggressiven Bild-Berichterstattung“. Der Intendant der Bremer Theater, Klaus Pierwoß, erinnerte an den Zusammenhang von Springer-Presse und Dutschke-Attentat.

Die Polizei bestätigte, dass auch Anne Heimendahl schon länger bedroht werde. Ende Februar und Mitte März sei das Wort ,Kirchenschänder“ an ihr Haus gesprayt worden. Später sei ein Pflasterstein ins Wohnzimmerfenster geflogen. Darauf habe gestanden: ,Jagt die Pharisäer aus dem Tempel“.

Das Ehepaar Heimendahl hatte zuvor diverse Diskussionen über die umstrittene Arbeit Kresniks organisiert und geleitet. ,Nicht um des Theaters, sondern um der Gebote willen“, wie die Pastorin gern betonte.

In der Öffentlichkeit wirkte die Situation seit Wochen beruhigt, die Debatte schien versachlicht, und die Aufführungen liefen ohne Störungen ab. 16-mal wurden die ,Zehn Gebote“ bisher gegeben – jeweils in einer mit 270 Besuchern ausverkauften Friedenskirche. 14 weitere, bereits ausverkaufte Vorstellungen stehen noch aus. Ob diese stattfinden und die Produktion in die nächste Spielzeit übernommen werden kann, werde in enger Absprache mit der Friedensgemeinde erst in den nächsten Tagen entschieden, betonte Pierwoß und meinte: ,Ich würde gern weiterspielen.“ fis