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Archiv-Artikel

„Das suggeriert, Pädophilie sei in Ordnung“

Kinderrechte stehen über künstlerischer Freiheit, sagt Sabine Bresche vom Kinderschutzbund. Die Ausstellung im Bethanien habe Pädophilie ohne kritischen Kommentar gezeigt. Dabei seien Grenzen gefährlich verwischt worden

taz: Frau Bresche, gestern hat ein Besucher mehrere Bilder der umstrittenen Ausstellung im Bethanien zerstört. Können Sie diese Reaktion nachvollziehen?

Sabine Bresche: Zerstörung hilft nicht. Die Ausstellung hat Grenzen überschritten, aber man muss darüber ins Gespräch kommen.

Gezeigt wurden auch eindeutig pädophil aufgeladene Szenen von Stu Mead. Seine naiven Darstellungen wirken eher verstörend als aufreizend. Lehnen Sie jede künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Pädophilie ab?

Es muss sicherlich eine künstlerische Auseinandersetzung geben. Aber in der Ausstellung wird Pädophilie ohne jeden Kommentar gezeigt. Man kann solche Bilder nicht einfach so hinstellen. Auch auf dem Beiblatt zu der Ausstellung findet sich keinerlei kritische Bemerkung. Die gezeigten Werke werden aus einer bestimmten Perspektive erläutert. Dass auch Pädophilie dargestellt wird, geht daraus nicht hervor.

Was für eine Art Kommentar würden Sie sich wünschen?

Vielleicht die Frage, ob die künstlerische Freiheit über der Menschenwürde oder Kinderrechten steht.

Sollte die Ausstellung verboten werden?

Es ist klar, dass Kunst auch zu einer Auseinandersetzung anregen soll. Dass man schaut, was diese Kunst mit einem macht. Aber man gerät an einen Punkt, an dem die Grenzen verschwimmen. Hier sollten deutlich Grenzen gesetzt werden.

Wo ist für Sie diese Grenze zwischen Zeigbarem und Tabu?

In dem Beiblatt heißt es, die Austellung thematisiere die Auseinandersetzung zwischen Maler und Modell. Wenn diese jungen Frauen aber eindeutig Kinder sind, wird es schwierig. Kinder werden als Objekte gezeigt. Da sind für mich eindeutig Kinderrechte gefährdet.

Kann man sich mit dem Thema Pädophilie auseinander setzen, ohne auch entwürdigende Szenen zu zeigen?

Man sollte sich nichts vormachen. Pädophile werden von solchen Bildern sehr stark angezogen. Im Gästebuch stehen zweideutige Kommentare. Die Ausstellung erzeugt eine bestimmte Atmosphäre: Pädophilie ist in Ordnung. Wir gehen in die Öffentlichkeit, um Sensibilität für dieses Thema zu schaffen. Wenn dann so eine Austellung stattfindet, ist das schon paradox.

Wird in der Öffentlichkeit das Thema Pädophilie nicht geradezu hysterisch diskutiert?

Ich würde nicht sagen hysterisch, sondern populistisch. Daran wird aber auch die Hilflosigkeit im Umgang mit dem Thema deutlich. Die Leute können es sich einfach nicht vorstellen: Wie soll so etwas passieren? Nach außen hin erscheinen die Täter wie Kinderfreunde. Es ist schwer, sich vorzustellen, dass ein Erwachsener ein Kind missbraucht.

Die Springer-Zeitungen zeigten gestern ausgiebig Bilder aus der Austellung. Etwa von durchsichtigen Unterhosen, wobei fälschlicherweise suggeriert wurde, es handele sich um Kinderkörper.

Mir wäre es lieber gewesen, es wären gar keine Bilder in den Zeitungen veröffentlicht worden. Die Austellung erhält dadurch nur zusätzliche Aufmerksamkeit.

INTERVIEW: WIBKE BERGEMANN