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Archiv-Artikel

In der Ostsee schnappt der Kabeljau nach Luft

Nach Schiffskollision ist Ölproblem eher gering, vielmehr gefährden die 65.000 Tonnen Dünger das sensible Gewässer

STOCKHOLM taz ■ Heute werden die ersten Teile eines 4 mal 14 Kilometer langen Ölteppichs an der Ostküste Schwedens zwischen Simrishamn und Ystad erwartet. Etwa 160 Tonnen Öl waren bis gestern Nachmittag aus dem am Samstag gesunkenen chinesischen Frachter „Fu Shan Hai“ ausgetreten. Nach Einschätzung der dänischen und schwedischen Seefahrtsbehörden ist das zunächst keine größere Gefahr für die Fische und an den Stränden beherrschbar. Doch die Gefahr einer Ölpest größeren Ausmaßes ist nicht gebannt.

1.600 Tonnen befinden sich in den Tanks des in 60 Meter Tiefe liegenden Wracks. Patrik Mathiasson von der schwedischen Küstenwache: „Stetig kommt neues Öl hoch.“ Schon jetzt wird Kritik laut, man habe zu viel Zeit verstreichen lassen, bevor man versuchte, die Leck geschlagene „Fu Shan Hai“ in nur wenige Seemeilen entfernt liegende seichtere Gewässer zu schleppen, um die Bergung von Öl und Ladung zu erleichtern. Und Schleppboote, die sofort vor Ort waren, mussten stundenlang warten. „Es müssen da bestimmte Formalitäten erfüllt sein“, begründet Jens Hulgaard vom dänischen Operativen Seekommando die Versäumnisse. Die Schiffsladung sei zudem keine Gefahr. Das sieht Lennart Gladh vom WWF anders. Die 65.000 Tonnen Kaliumkarbonat (Pottasche), mit denen die „Fu Shan Hai“ vom lettischen Hafen Ventspils – von hier war im letzten Jahr auch die „Prestige“ ausgelaufen – nach China unterwegs war, drohten das Überdüngungsproblem in der gesamten südlichen Ostsee zu verschärfen. Die bevorzugte „Kinderstube“ des Kabeljaus, das sind Gebiete rund um die Insel Bornholm, seien durch den Sauerstofffresser gefährdet.

Die Kollision hat die Diskussion über eine Lotsenpflicht in den dicht befahrenen Seefahrtsstraßen zwischen Deutschland, Dänemark und Schweden erneut entfacht. Die 225 Meter lange „Fu Shan Hai“ war aus bisher unbekannter Ursache bei perfekten Sichtverhältnissen und nahezu windstillem Wetter von dem polnischen Containerschiff „Gdynia“ gerammt worden.

Der WWF hofft, dass das Thema bei der vom 23. bis 27. Juni in Bremen stattfindenden Seeumweltkonferenz, bei der sich erstmalig Ostsee-, Nordsee- und europäische Nordatlantik-Anrainerstaaten auf Ministerniveau zusammen mit Helcom (Baltic Marine Environment Protection Commission) und Ospar (Commission for the Protection of the Marine Environment of the North-East Atlantic) treffen, behandelt wird. REINHARD WOLFF