Vater aller Siegel

Fast 25 Jahre dauerte es, bis das Umweltzeichen auch offiziell „Blauer Engel“ hieß

von HANNA GERSMANN
und MATTHIAS URBACH

Er ist der Wegbereiter aller Umweltzeichen: Der Blaue Engel war zehn Jahre lang das einzige deutsche Umweltsiegel und zog eine kaum noch überschaubare Flut von Gütezeichen nach sich. Am 5. Juni 1978 trat die Jury Umweltzeichen zum ersten Mal zusammen, ein Gremium von 13 Vertretern unter anderem aus Unternehmen, Medien, Gewerkschaften, Verbrauchern, und verteilten Blaue Engel für Klopapier, Mehrwegflaschen und Motorrasenmäher. Wer umweltbewusst einkaufen wollte, bekam fortan endlich eine simple Orientierung.

Heute prangt der Blaue Engel auf Faxgeräten, Batterien und Möbeln – insgesamt findet man ihn auf 3.700 Produkten. Auch Dienstleistungen wie Car-Sharing und Monatskarten wurden ausgezeichnet. Zum Jubiläum verpasste nun das renommierte Ökoinstitut dem Blauen Engel selbst das Gütesiegel: Er habe „auf vielen Wegen zu einem umweltfreundlichen Konsum“ beigetragen. So liege etwa der Marktanteil von ausgezeichneten Fotokopierern inzwischen bei einem Drittel. Viele Hersteller geben an, bei der Entwicklung neuer Produkte die Kriterien der Jury als Maßstab zu nehmen.

Es gab auch Misserfolge: Auf Linoleum oder Computern etwa sucht man das Siegel vergebens. Jeder sechste Engel wird von den Herstellern ignoriert. Jüngstes Beispiel sind Mobiltelefone: Die Handybauer boykottieren das Siegel, nachdem ihr Druck im Vorfeld nicht fruchtete. „Wo es Oligopole am Markt gibt, kann ein Boykott leicht durchgehalten werden“, erklärt Jury-Chef Gerd Billen. „Da sind wir machtlos.“

Auch die Kunden verhalten sich nicht immer so, wie sich die Jury das wünscht. „Die Bedeutung der Umwelt ist zurückgegangen“, sagt Billen, „die Kunden achten eher auf Gesundheit.“ Seinen Einfluss hat der Blaue Engel denn auch vor allem in Kommunen und Unternehmen, die das Siegel bei Aufträgen oft zur Bedingung machen. Baufirmen dürfen Straßen im Auftrage der Stadt oft nur dann aufreißen, wenn der Presslufthammer so leise ist, dass er einen Blauen Engel verdient.

Natürlich gibt es auch Kritik: Eine interne Studie ergab etwa 1998, es dauere zu lange, bis die Jury eine neue Produktgruppe aufnehmen kann. Und fast ein Vierteljahrhundert dauerte es, bis sich das Zeichen schließlich selbst so nannte, wie es längst alle taten: nicht „Umweltzeichen“, sondern „Blauer Engel“.

Einen Überblick über mehr als 300 Label gibt die Verbraucherinitiative: www.label-online.de.