piwik no script img

Archiv-Artikel

us-terrorbekämpfung Ideologie und Information

Die Sicherheitsberaterin von US-Prädident Bush hat offensichtlich falsche Prioritäten gesetzt. Vor dem 11. September hat Condoleezza Rice auf Warnungen vor Anschlägen auf dem US-Territorium unangemessen reagiert – untergebene Stellen hätten genauer über Terrorszenarien informiert werden müssen, um so andere Indizien für Attentatspläne korrekt deuten zu können.

KOMMENTAR VON ERIC CHAUVISTRÉ

Zwangsläufig verhindert worden wären die Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon damit nicht. Denn nur im Nachhinein ist auch die kleinste Spur auffällig. Das ist bei der nachträglichen Suche nach Schwächen im System der Terrorfahnung nicht viel anders als etwa beim Auffinden eines für das Shuttle-Desaster verantwortlichen schadhaften Bauteils. Die Datenflut, die von Geheimdiensten, FBI und der Einwanderungsbehörde erzeugt wird, kann den Blick auf drohende Gefahren eben auch behindern. Eine Information wird daraus erst, wenn die Daten mit den richtigen Fragen verknüpft werden.

Genau hier aber ist Rice und ihren Kollegen in der Bush-Regierung eben doch vorzuwerfen, aufgrund ideologischer Verblendung die falschen Fragen gestellt zu haben. Nach dem ersten Anschlag auf das World Trade Center im Februar 1993 konnte es niemanden wirklich überraschen, dass ein neues, potenziell katastrophales Attentat auf dem Gebiet der Vereinigten Staaten in Planung war. Doch in der Bush-Regierung waren die Altkonservativen gerade damit beschäftigt, China als neuen Feind aufzubauen, und ihre neokonservativen Kollegen träumten von der Invasion in den Irak. Donald Rumsfeld warnte vor einem „Pearl Harbor im Weltraum“ und trieb den Aufbau eines Raketenabwehrsystems voran. Die Mitglieder des Bush-Kabinetts lebten bis zum Morgen des 11. September in einer Welt, in der alle denkbaren Gefahren durch die militärtechnische Überlegenheit der USA beherrschbar waren. Schlichte Flugzeugentführungen passten da nicht ins Bild.

Umso erschreckender, dass die ideologische Verblendung bei der Planung der Irakinvasion nicht endete. Auch hier gab es genügend Anhaltspunkte, die auf eine mögliche katastrophale Entwicklung nach dem US-Einmarsch hinwiesen. Doch wer davon überzeugt ist, dass Demokratie aus den Gewehrläufen kommt und jede Gegengewalt mit überlegener Rüstungstechnologie bezwungen werden kann, landet fast zwangsläufig bei solchen Fehleinschätzungen.

brennpunkt SEITE 3