: „Gute Qualität braucht Unterstützung“
Noch ist das Bildungsprogramm in der Entwicklungsphase, doch für Gerda Wunschel enthält es schon jetzt gute Anregungen für die praktische Arbeit. Die Erzieherin leitet seit 15 Jahren die Kita an der Dresdener Straße
taz: Frau Wunschel, brauchen die Berliner Kitas überhaupt ein Bildungsprogramm?
Gerda Wunschel: Ich halte das Programm insofern für gut, als es für jede Erzieherin eine Handreichung ist. Es gibt nicht nur ungeheuer viele praktische Anregungen, sondern auch die Möglichkeit, sich Gedanken über unsere Arbeit und Ziele zu machen.
Haben Sie das bisher nicht gemacht?
Das Bild vom Kind ändert sich zunehmend in der Bildungsforschung. Der Fokus rückt auf die Bedeutung einer möglichst frühen Förderung. Der Entwurf greift das auf und gibt uns Anregungen. Bisher wurden viele Lernerfahrungen an die Schule verwiesen, etwa Lesen oder mathematische Grunderfahrungen. Auch von den Kitas. Es liegt aber an uns, das natürliche Interesse der Kinder früh aufzunehmen und zu fördern.
Kitas haben immer weniger Personal, einzelne Erzieherinnen weniger Zeit. Wie realistisch, glauben Sie, ist die Umsetzung des zeitintensiven Bildungsprogramms?
Es ist immer die Frage, wofür wir die Zeit verwenden. Ist es notwendig, dass ich mit 30 Kindern vorgefertigte Schmetterlinge ausschneide, oder mache ich erste naturwissenschaftliche Experimente? Klar ist aber, dass das Bildungsprogramm mit Fortbildung und Schulung begleitet werden muss.
Wie können diese Experimente in der Kita aussehen?
Man kann zum Beispiel Kindern die Aggregatszustände von Wasser näher bringen. Wasser in einem Topf auffangen, in den Eisschrank stellen, danach verkochen lassen und an den Tröpfchen am Fenster zeigen, dass es verdampft. Dazu braucht man weder mehr Geld noch mehr Zeit.
Auf einer Podiumsdiskussion haben Sie vor kurzem noch kritisiert, dass auch ihre Kita von Sparzwängen zugeschüttet ist. Sie glauben trotzdem an die Umsetzung des Programms?
Man muss ja nicht jeden einzelnen Punkt aufgreifen. Grundsätzlich bleibe ich bei meiner Meinung: Die materielle und personelle Ausstattung der Kitas ist dramatisch. Ende des Jahres werden wir daher auch den Träger wechseln. Momentan sind wir noch vom Bezirksamt getragen, ab nächstem Jahr von einem freien Träger. Dort wird zwar auch gespart, aber der Sparzwang ist nicht ganz so groß. Wir brauchen Planungssicherheit und Unterstützung bei der guten Qualitätsentwicklung. Momentan müssen wir immer mehr auf die Eltern zurückgreifen, in der Hoffnung, dass sie Sachmittel spenden, etwa Stühle oder Tische.
Stichwort Eltern: Die Zusammenarbeit mit ihnen als Partnern in der Erziehungsarbeit ist ein weiterer Schwerpunkt des Bildungsprogramms.
Davon war ich schon immer eine große Anhängerin. Wir brauchen eine Erziehungspartnerschaft und eine engere Abstimmung mit den Eltern. An unserer Kita organisieren wir zum Beispiel regelmäßig Gesprächskreise mit den Eltern. Sie sind sehr gut besucht. Vor allem, weil wir auch türkischsprachigen Eltern die Möglichkeit geben, sich in ihrer Muttersprache mit uns auszutauschen. Dass ihnen das besonders am Herzen liegt, hat eine Evaluation der Gespräche ergeben.
Kritiker sagen, dafür bleibe keine Zeit. Machen Sie Überstunden?
Nein. Wir führen die Gesprächskreise vormittags durch, integrieren sie in den Alltag. INTERVIEW: SUSANNE LANG