: Brandanschlag auf die Zehn Gebote
In Bremen wurde nach einem Brandanschlag auf das Wohnhaus einer Pastorin heftig über mögliche Attentäteraus dem christlich-fundamentalistischen Spektrum diskutiert. Bis ein psychisch kranker Nachbar festgenommen wurde
AUS BREMENKLAUS WOLSCHNER
Nach einem Brandanschlag auf das Wohnhaus einer Pastorin war Bremen über Ostern Schauplatz von weitreichenden weltpolitischen Debatten: Gibt es christlich-fundamentalistische Strömungen, denen terroristische Aktionen zuzutrauen sind? Die Frage wurde am Ostermontag vorläufig zurückgestellt, als ein Nachbar der Pastorin, der schon in psychiatrischer Behandlung war, als „tatverdächtig“ festgenommen wurde.
Anlass der großen Debatten war ein Molotowcocktail, der am vergangenen Mittwoch das Wohnzimmerfenster der Pastorenfamilie durchschlug und einen Brand auslöste. Den beiden kleinen Kindern der Pastorin sei „wie durch ein Wunder“ nichts passiert, erklärte die Polizei. Die Eltern mussten mit Rauchvergiftungen ins Krankenhaus.
Einige Tage später gab es einen Bekennerbrief, in dem es heißt: „Frau Pastorin, Herr Pastor, wenn ihr die zehn Gebote kennt, bekennt euch selbst als schuldig …“ Der Anschlag sei kein Mordanschlag gewesen, sondern eine „Drohung“.
Hintergrund der Anschläge ist offenbar die Auseinandersetzung um das Theaterstück „Die Zehn Gebote“. Der Regisseur Johan Kresnik, der mit dem Stück „Die letzten Tage der Menschheit“ in einem U-Boot-Bunker großen Erfolg hat, wollte den Effekt des ungewohnten Raumes mit einem Stück im Bremer Dom fortsetzen. Titel sollte „Die Zehn Gebote“ sein. Die Domgemeinde sagte Ja, ohne den Inhalt des Stückes genau zu kennen – der sollte als work in progress entstehen.
Dann jedoch wurden im Dezember unvermittelt per Anzeige in der Zeitung ältere Frauen gesucht, die sich nackt in einer Statistenrolle als „Näherinnen“ für einen Auftritt im Dom zur Verfügung stellen würden. Die Bild machte das Thema zum Skandal, es hagelte Proteste insbesondere auch aus der Domgemeinde, der Gemeindevorstand musste das Theater abblasen.
Kresnik nahm das Raumangebot der protestantischen Friedenskirche in Bremen an. Daraufhin gab es eine Morddrohung gegen einen Gemeindepastor der Friedenskirche, tätliche Angriffe vor allem gegen das Haus der Pastorin der Friedensgemeinde. Ende Januar war das Haus mit dem Schriftzug „Kirchenschänder“ besprüht, kurz darauf wurde ein Pflasterstein mit der Aufschrift „Jagt die Pharisäer aus dem Tempel“ geschleudert.
Und dann in der Woche vor Ostern der Brandanschlag. Ein 49-jähriger Nachbar hatte das Feuer als Erster entdeckt, die Feuerwehr verständigt, die Familie aus dem Schlaf geklingelt und selbst mit einem Gartenschlauch gelöscht.
Sollten die Täter aus christlich-fundamentalistischen Kreisen kommen? Das Landesamt für Verfassungsschutz teilte mit, es habe derartige Gruppen „nicht im Beobachtungsspektrum“. In einer Erklärung, die 26 PastorInnen unterzeichnet haben, heißt es dagegen: „Der verbrecherische Höhepunkt einer durch bestimmte Medien angeheizten Stimmung im Zusammenhang mit dem Theaterstück muss uns umso mehr betreffen, als ein Teil jener Drohungen in ihrer Sprache seine Herkunft aus einem Fundamentalismus innerhalb unserer Kirche nahe legt.“ Und dann flog am Ostersamstag wieder eine Flasche mit „brennbarer Flüssigkeit“ auf die Terrasse der Pastorin.
Am Montag schließlich scheint der Täter, wenn es denn der Nachbar war, sich verdächtig gemacht zu haben. Wieder flog etwas – von der Polizei nicht näher Beschriebenes – über den Zaun. Unmittelbar darauf wurde der Nachbar festgenommen und gilt nach mehrstündigen Verhör als tatverdächtig.