: berliner szenen Der 1-Cent-Wein
Freuden der Nacht
Sonntagabend: Ich verpasse am Hermannplatz haarscharf den Anschluss. 19,9 Minuten warten oder Bus? An der Haltstelle der Killerlinie M 41 als Vorgeschmack ein Comicstrip: Ein pockennarbiger Styler hat es auf zwei kichernder Schülerinnen abgesehen. Wann kommt Bus? – seine unverfängliche Einstiegsfrage. Vor zwei Minuten, erwidert Blondi. Wohnst du hier?, fragt er. Sie: Ja. Er: Isch wohn Ku’damm … Bedeutungsschwangere Pause.
Wir brettern im Gelenkbus über das längere Ende der Sonnenallee. Bis Rudow fehlen gefühlte drei Stationen, jetzt heißt es Gas geben, Alter! Hasch du Froind?, fragt der Hüne. Das Mädchen versteht ihn nicht und wiederholt das Gehörte: Hast du Feuer, häh? Vorher hat er die Basics abgeklopft: Bist du eine Deutsche? Wie heißt du? Dann die Vollbremsung an der Fuldastraße. Mädchen, müsst ihr hier raus? Was’n Zufall, ich auch. Er fragt, ob sie Lust haben noch ins Dilemma zu gehen. Aufn Getränk. Nö, winken sie ab. Es ist spät. Der Ku’damm-Boy bounced in den Bus zurück, die Mädels ziehen von dannen. Er macht drinnen Chaka mit einem anderen Hünen. Sein Cousin. Stiefelt in Armyhosen durchs Busgelenk. Allet klar, du Charlettsville und ich Rhinozeros.
Ich drücke den ausgeleierten Halteknopf an der Erkstraße. Bin schlapp. Mir schwirrt der Kopf. Torkle in den Spätkauf meines Vertrauens. Zieh eine Flasche Rotwein aus dem Regal. Was kostet der?, frage ich. 5,99 Euro. Ich bezahle mit 10. Der Kassierer gibt 9,99 zurück. Ohne mit der Wimper zu zucken, stecke ich den Wechsel ein und kann es kaum erwarten, die 33 Stufen zu meiner Wohnung zu nehmen. Nach so viel Scheiß dieses Wochenende wenigstens ein akzeptabler 1-Cent-Wein, Neukölln sei Dank! TIMO BERGER