Der nächste Reformclash ist in Sicht

Die Regierung dementiert, doch Pläne zum Umbau der gesetzlichen Unfallversicherung existieren. Antreiber sind die Arbeitgeber, die Kosten abschieben wollen. DGB verlangt: psychische und schwere Arbeitsschäden stärker berücksichtigen

VON ULRIKE WINKELMANN

Heftig hat das Sozialministerium gestern Berichte bestritten, wonach es die gesetzliche Unfallversicherung zulasten der Arbeitnehmer umbauen wolle. Ein Ministerialer erklärte der taz: „Nichts dergleichen liegt auf dem Tisch.“ Die veröffentlichte Liste der Reformideen entspreche eher „einem Wünsch-dir-was der Arbeitgeber“.

Ob jedoch die Umsetzungschancen dieses Wünsch-dir-was wirklich „bei maximal fünf Prozent“ bleiben, wie der Ministeriale vermutet, ist offen. Denn Reformpläne existieren durchaus. Erst Ende vergangenen Jahres „hat die Bundesregierung doch ausdrücklich zugegeben, dass es Anpassungsbedarf gibt“, erklärt Joachim Breuer, Hauptgeschäftsführer der gewerblichen Berufsgenossenschaften. Es sei „seit mindestens einem Jahr bekannt“, dass etwa das Verhältnis von Unfall- und Rentenversicherung änderungsbedürftig sei. Dies hat auch der Bundesrat schon angeprangert.

Gegenwärtig bekommt ein Geschädigter Leistungen aus der Unfallversicherung bis ans Lebensende – die ihm von der Altersrente abgezogen werden. Zur Debatte steht laut Breuer nun, dass stattdessen die Leistungen der Unfallversicherung im Rentenalter gestoppt werden. Für den Geschädigten kommen dabei zwar nicht unbedingt sinkende Einkünfte heraus. Aber die Kosten würden aus der Unfallversicherung in die Rentenversicherung abgedrängt. Dadurch fallen sie den Arbeitnehmern wieder auf die Füße. Denn anders als die anderen Sozialversicherungssysteme wird die Unfallversicherung ausschließlich von Arbeitgebern bestritten.

Gegenwärtig zahlen die Arbeitgeber im Schnitt 1,3 Prozent der Lohnsumme an die Berufsgenossenschaften. Gestaffelt sind die Beiträge nach Risiko: Ein Dachdecker arbeitet zehnmal so riskant wie eine Sekretärin, deshalb müssen Dachdeckerfirmen mehr zahlen als Schreibbüros. 9 Milliarden Euro haben die Berufsgenossenschaften im Jahr 2003 ausgegeben, 860.000 Menschen bekamen Unfallrenten.

Nun sinken die Beiträge zur Unfallversicherung zwar stetig, weil die Arbeitswelt insgesamt immer sicherer wird. In bestimmten Bereichen jedoch, vor allem im Bau, steigen die Beiträge. Denn der Rückgang der Beschäftigtenzahlen münzt sich nicht unmittelbar auch in einen Rückgang der Unfallkosten um. Deshalb drängen Bau und Handwerk darauf, die Leistungen der Unfallversicherung einzudampfen. Vor allem für Wegeunfälle zur und von der Arbeit soll nach Vorstellungen der Handwerks- und Mittelstandsverbände die Unfallversicherung nicht mehr zuständig sein.

Die Vizechefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Ursula Engelen-Kefer, machte gestern Reformbedarf an ganz anderer Stelle aus. „Wir verlangen mehr Transparenz“, sagte Engelen-Kefer der taz: Notwendig sei, dass die Arbeitgeber ihrer Dokumentationspflicht über die Arbeitsbedingungen nachkommen. Die psychischen Folgen der Arbeitsbelastung bräuchten „mehr Aufmerksamkeit“. Die Reform dürfe nicht zu Verschlechterungen führen, erklärte Engelen-Kefer. Schon heute würden schwere Erkrankungen nicht ausreichend bedacht.