Polizei lehrt Kids die Kultur des Feierns

Vor der Walpurgisnacht lädt die Polizei gezielt Schulklassen zum Anschauungsunterricht. Mit Gesetzeskunde, echt verbeulten Einsatzwagen und Krawallfotos will sie die Jugendlichen davon abhalten, zum Stein zu greifen

Damit es in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai – der Walpurgisnacht – friedlicher zugeht, will die Polizei schon zwei Wochen vorher „Gewalt abschöpfen“. Neben Gewaltbekannten, für die es Aufenthaltsverbote gibt, will die Polizei auch andere erreichen. Friedrich-Christian Wähmann, Polizeidirektor des Bereichs Reinickendorf-Pankow, sagt: „Wir wollen die erreichen, die anfällig für Gewalt sein können.“

Deshalb zeigt die Polizei jetzt an Schulen Präsenz. „Da kommen die her, die noch schwanken.“ Die Jugendlichen sähen die Mauerpark-Feiern als unpolitischen Event. Man wolle verhindern, dass „Erlebnisorientierte“ selbst zum Stein griffen oder einen Täter decken würden. Von 270 Festgenommenen im letzten Jahr seien 128 Jugendliche und Heranwachsende gewesen – 20 mehr als 2002.

Der Mauerpark hat sich in den letzten Jahren zum zentralen Treffpunkt in der Walpurgisnacht entwickelt. Um genehmigte oder spontan angezündete Feuer tanzen alljährlich mehrere tausend meist junge Leute in den Mai. Meist endete die unübersichtliche Feier, wie letztes Jahr, in einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Angetrunkenen und Polizei. Um nicht von vornherein Konfliktstoff zu liefern, werden auch in diesem Jahr wieder einzelne Feuer offiziell brennen. Unorgansiertes Zündeln ist aber verboten. Auch ein Verbot von Flaschen im Park ist geplant, aber rechtlich noch nicht abgesichert.

Zuvor dürfen Schulklassen aus Reinickendorf, Pankow, Wedding und Mitte das Polizeirevier am Mauerpark besuchen und sich über die Walpurgisnacht informieren. Ein anschauliches Programm wird den ca. 1.000 erwarteten Acht- bis Zehntklässlern geboten. In dreieinhalb Stunden gibt es neben trockener Gesetzeskunde auch einen verbeulten Einsatzbus zum Anfassen als Anschauungsmaterial, Fotos von friedlichen Szenen und von Krawall sowie selbst gebastelte Waffen. „Wir wollen auch zeigen, was für ein volkswirtschaftlicher Schaden durch die Krawalle entsteht“, erklärt Wähmann. Betreut werden die Schüler von Mitarbeitern des Anti-Konflikt-Teams der Polizei, das auch dieses Jahr in der Walpurgisnacht wieder zwischen Polizei und Feiernden vermitteln soll.

Gestern informierten sich die ersten Schüler: Eine Klasse der Gustave-Eiffel-Oberschule, die in der Kastanienalle nur zwei Straßen vom Park entfernt liegt. „Ich finde die Veranstaltung wichtig, weil ich glaube, dass es bei uns welche gibt, die Gewalt anwenden würden“, zeigt sich die 16-jährige Claudia anschließend musterschülerhaft. Andreas (16) ist die Präsentation ein bisschen zu langweilig, und Michael (16) sagt: „Ich gehe sowieso nicht auf Demos, sondern lieber zur Love Parade. Gewalt kann ich auch über Videospiele ablassen.“

Das Ganze zählt zum Programm „AHA“ – Aufmerksamkeit, Hilfe und Appell –, mit dem die Polizei seit 1999 das Krawallumfeld anzusprechen versucht. „Wir wollen dieses Jahr– wie in Kreuzberg – die Anwohner animieren, einzuschreiten. Da gehen welche zum Steinewerfern und sagen: Hier nicht!“, sagt Wähmann. CHRISTIAN VATTER