: Unter Konservativen
Letzte Woche war Springer-Chef Mathias Döpfner da, gestern kamen die Barclays. Alle wollen den „Telegraph“
One, Canada Square ist die Top-Adresse in Canary Wharf im ehemaligen Hafen von London. Einem Unternehmen in der Mitte des 235 Meter hohen Wolkenkratzers gilt seit einiger Zeit fast täglich hoher Besuch: Auf mehreren Etagen sitzt hier die Telegraph Group (Daily Telegraph, Sunday Telegraph, Spectator). Das Aushängeschild der konservativen britischen Presse steht derzeit zum Verkauf.
Verhandelt wird allerdings in den Räumen der Investmentbank Lazard im noblen Stadtteil Mayfair, am Donnerstag vergangener Woche war Springer-Chef Mathias Döpfner da. Seitdem gilt der im internationalen Zeitungsgeschäft eher auf Osteuropa abonnierte Konzern als Spitzenreiter im Wettlauf um die Titel. Bis zu 700 Millionen Pfund, rund 1,05 Milliarden Euro, hieß es anschließend, sei Springer zu zahlen bereit.
Seit gestern sieht das schon wieder anders aus: Eine Delegation der wohl exzentrischsten britischen Medienbarone, der Zwillinge Sir David und Sir Frederick Barclay, kam, um nachzulegen. 630 Millionen Pfund hatten die beiden knapp 70-jährigen Milliardäre bislang geboten. Ihnen gehört neben einem vor allem in Schottland aktiven Presseunternehmen unter anderem die Londoner Nobelherberge Ritz. Sie selbst leben allerdings weitgehend von der Öffentlichkeit abgeschirmt auf ihrer eigenen Insel Brecqhou im Englischen Kanal. Mit dem Telegraph verbindet sie vor allem eins: die stramm konservative Grundhaltung inklusive klar europhobischer Tendenz in allen EU-Belangen. Nach Tony Blairs spektakulärem Einknicken gegenüber der von ihren Blättern, dem Telegraph und Rupert Murdochs Times propagierten Forderung nach einem Referendum über den Euro und die künftige EU-Politik können sie sich politisch schon mal als Sieger fühlen.
Für Springer – und gegen die drei weiteren britischen Bewerber – spricht immerhin, dass bei einem solchen Engagement keinerlei Kartellprobleme drohen: Deutschlands größtes Zeitungshaus ist in Großbritannien bis auf den Auto-Bild-Ableger Auto Express noch nicht weiter in Erscheinung getreten.
Die berühmten Springer-Essentials, in Deutschland Bestandteil der Arbeitsverträge, müssten aber zumindest in einem Punkt geändert werden, bevor sie Telegraph-tauglich sind: Das „unbedingte Eintreten für den freiheitlichen Rechtsstaat Deutschland“ dürfte trotz mancher antideutscher Tendenzen des Blatts noch angehen. Mit der „Förderung der Einigungsbemühungen der Völker Europas“ sieht das wohl anders aus. STG