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Archiv-Artikel

Volksvermessung ohne Diskussion

Bundestagsexperten monieren, dass Biometrie ohne politische Debatte eingeführt wird

Von UWI

BERLIN taz ■ Rund um den Erdball verteilen Universitäten, Firmen, Flughäfen, Kantinen und Regierungen biometrische Ausweise an ihre Nutzer, Mitarbeiter und Bürger. In Deutschland wurde und wird Biometrie an den Flughäfen Nürnberg und Frankfurt/Main und am deutsch-tschechischen Grenzübergang Waidhaus/Rozvadov erprobt. Mit den Sicherheitsgesetzen nach dem 11. September 2001 können biometrische Ausweise eingeführt werden. Auf EU-Ebene, aber auch auf der Ebene der G-8-Staaten wird über Tempo und Bedingungen der Einführung biometrischer Papiere hart verhandelt.

Und doch ist der „politische Diskurs“ über die Nutzung von Biometrie „bislang kaum entwickelt“, schreibt das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag in seinem „zweiten Sachstandsbericht“ zum Thema. „Politische, rechtliche und technisch-organisatorische Vorentscheidungen fallen, ohne dass Ziele und Instrumente sowie Nutzen und Kosten“ von Biometrie „vermittelt werden“. Kurz: Biometrie steht weltweit als Sicherheitstechnologie vor dem Durchbruch. Aber mitreden dürfen bislang nur Sicherheitsexperten und Techniker, bemängeln die Technikfolgenabschätzer in ihrem Bericht, der der taz vorliegt.

Biometrie ist die automatisierte Messung eines Körpermerkmals oder eines Verhaltens zum Zweck der Unterscheidung von anderen Personen. Bekannt sind mittlerweile die Erkennung von Fingerabdrücken, Handflächen, des Gesichts, der Stimme, der Augen-Iris, aber auch der Unterschrift. Fingerabdrücke, Gesicht und Iris sind die drei am heißesten gehandelten biometrischen Merkmale.

Die Biometrie-Experten beim Bundestag nun werfen Fragen nach Daten- und Diskriminierungsschutz auf. Bei der Einführung von biometrischen Ausweisen soll die Bundesregierung erklären, warum sie von ihren eigenen Bürgern biometrische Daten nur zu Identifikationszwecken erheben will – diese Zweckbeschränkung aber für „Ausländerausweise“ (Visa und Aufenthaltstitel) nicht vorsieht. Dies ist „mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Zweckbindung und mit dem Bestimmtheitsgebot nicht in Einklang zu bringen“, schreiben die Technikfolgenabschätzer.

Eine Speicherung der biometrischen Daten in einer Zentraldatei ist für Bundesbürger „zurzeit“ verboten – für Ausländer dagegen nicht. Würden die biometrischen Daten entweder in einem Zentralcomputer oder aber auch in dezentralen Registern aufbewahrt, würden sich dem Staat ganz neue Möglichkeiten von Strafverfolgung und Fahndung eröffnen. „Problematisch“ nennt der Bericht diesen Umstand. Bereits jetzt wird mit der Fingerabdruck-Datei des Bundeskriminalamts AFIS bei Ausländern die Trennung zwischen dem Identifikationszweck und dem Strafverfolgungszweck unterlaufen.

Um ein „Bewusstsein“ für die Möglichkeiten und Bedeutung der Biometrie zu schaffen, fordern die Technikfolgenabschätzer eine „öffentliche Konsultation“ mit Experten, Politikern und Bevölkerungsumfragen. UWI