s-bahn-streik : Gekämpft, nicht gebettelt
Der Aufwand war gering, die Wirkung beträchtlich: knapp zwei Dutzend S-Bahner legten gestern Morgen eine Stunde lang wichtige Strecken lahm, 120 Züge waren blockiert, 40.000 Fahrgäste mussten warten. Ein spontaner, ein illegaler Streik – das hat Seltenheitswert in Deutschland.
KOMMENTAR VON RICHARD ROTHER
Sicherlich, für die Fahrgäste war die Aktion ärgerlich: Viele mussten Umwege in Kauf nehmen, kamen zu spät zur Arbeit. Manche verpassten vielleicht einen Fernanschluss. Entsprechend hart die Reaktion der S-Bahn GmbH: Die Streikenden wurden vom Dienst suspendiert, arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen.
Die Streikenden, die sich gegen Einkommenskürzungen und Stellenabbau wehren, nehmen ein hohes persönliches Risiko – nämlich Job und Einkommen zu verlieren – in Kauf. Es mag altmodisch klingen, aber: In Zeiten, die von Lohnkürzungen und Sozialabbau bestimmt werden, verdient dieser persönliche Einsatz Respekt. Bessere Lebensbedingungen werden nicht erbettelt, sondern erkämpft.
Probleme hat auch die S-Bahn: Zwar steigen ihre Fahrgastzahlen, weil die Bevölkerung im Umland zunimmt, aber der klamme Senat hat die Zuschüsse für das Unternehmen gesenkt. Damit dieser Druck nicht direkt an die S-Bahner weitergereicht wird – deshalb standen gestern Züge still. Die S-Bahn weiß, dass sie mit den Gewerkschaften, die bis zur Zusage des Senats stillgehalten hatten, reden kann – wenn die Konsequenzen für die Streikenden glimpflich bleiben.