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querbeet
Ratlose Römerkaiser
Man könnte es auch als Abgesang auf egozentrische Tendenzen aller Art betrachten, wenn man es nicht – und das ist durchaus erwünscht – politisch deutet: das Stück Das Leben der Caesaren, das das Hamburger Performance-Kollektiv Showcase Beat Le Mot gemeinsam mit Schauspielern des mazedonischen Nationaltheaters Bitola inszeniert hat, wo es Ende vorigen Jahres Premiere hatte: Als Kollektiv schweben in dem Stück, das derzeit auf Kampnagel gespielt wird, skurrile Caesaren durch die Bühnengefilde, alle intensivst vom Wunsch nach Selbstdarstellung beseelt und doch ratlos, als es darum geht, den alles rettenden Computercode zu knacken, mit dessen Hilfe das bedrohte römische Imperium gerettet werden kann. Eine spannungsreiche Melange aus performativen Elementen und den Methoden der mazedonischen Schauspieler, die ein Clash für sich ist ...
nächste Vorstellungen: Do, 12., Fr, 13. sowie Sa, 14.6., 19.30 Uhr, Kampnagel
Vereinnahmte Fremde
Sie sind so inkonsequent wie letztlich unehrlich: die stetig sich wiederholenden Versuche, das Fremde nicht fremd sein zu lassen, sondern entweder abzulehnen oder – in romantischer Gegenreaktion – einzugemeinden, zu vereinnahmen und an die Stelle des Eigeenen zu setzen. Doch so verzweifelt man es auch versucht – die Kluft zwischen dem Eigenen und dem Andersartigen schließt sich nicht, wie der Philsoph Bernhard Waldenfels, der jetzt im Philosophischen Café zu Gast ist, betont; wie viel sinnvoller wäre es da, sich mit Unterschieden abzufinden, sie hinzunehmen, wofür nicht einmal sonderlich viel Intellekt erforderlich wäre, sondern schlicht wohlwollendes Gewährenlassen? Doch der (Ein-) Odnungstrieb vieler Gesellschaften verhindert dies – noch –, vernichtet letztlich sogar das Fremde, indem eine Melange entsteht, mit der sich letztlich niemand mehr identifizieren kann. Diskussionsgegenstände en masse, die, moderiert von Reinhard Kahl, den Abend mit Waldenfels, ehemals Professor für Philosophie an der Bochumer Ruhr-Universität und Verfasser der Bücher Bruchlinien der Erfahrung und Verfremdung der Moderne, bestimmen dürften. Fr, 13.6., 19 Uhr, Literaturhaus, Schwanenwik 38
Gezeichnete Zitronenjette
Wieder einmal eine Andersartige, die, letztlich sicher auch unverstanden, einigen Ruhm errang: Mit der Zitronenjette (1841–1916) befassen sich die Beiträge der diesjährigen ElbArt; gefordert waren Strichzeichnungen zum Motiv der Johanne Henriette Marie Müller, die während der letzten beiden Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts in Hamburg Zitronen verkaufte – tagsüber am Graskeller, nachts dann in den Kneipen der Neustadt. 1894 wurde sie – wegen geistiger Verwirrtheit und angeblicher Trunkenheit – in die „Seperat-Irrenanstalt“ Friedrichsberg in Barmbek eingeliefert. Ein Denkmal erinnert an der Ecke Krayenkamp/Ludwig-Erhard-Straße seit 1986 an die Dame; ob die Berührung der Skulptur Glück bringt, sei indessen dahingestellt. Dieser Dame jedenfalls sind die Werke von ca. 40 KünstlerInnen aus Hamburg, Korea und dem Irak gewidmet. Wer mag, kann der Ausstellung übrigens eigene Zeichnungen hinzufügen. Der Erlös der während der ElbArt verkauften Zeichnungen geht an amnesty international.
Sa, 14.6., 22 – 4 Uhr sowie So, 15.6., 9–18 Uhr, Alter Elbtunnel