wehrpflicht
: Angezählt, aber nicht k.o.

Die gestrige Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln bedeutet einen wichtigen Treffer der Wehrpflichtgegner gegen den Zwangsdienst. Sie bemängeln schon lange, dass die Wehrpflicht keinen Sinn macht, wenn nicht mal mehr jeder zweite Mann eines Jahrgangs zu Wehr- oder Zivildienst einberufen wird. Es könne nicht sein, dass die eine Hälfte dient und die andere schon verdient. Die Wehrpflicht ist angezählt, k.o. ist sie aber noch nicht.

KOMMENTARvon CHRISTIAN RATH

Noch ist das Kölner Urteil allerdings singulär. Andere Verwaltungsgerichte halten Einberufungen zur Wehrpflicht weiterhin für verbindlich – ohne damit zwangsläufig an der Seite von Verteidigungsminister Peter Struck zu stehen. So hat das Verwaltungsgericht Koblenz im März entschieden, die derzeitige Einberufungspraxis sei zwar rechtswidrig, nur könne sich der einzelne Wehrpflichtige nicht darauf berufen.

Bald wird das Bundesverwaltungsgericht die Frage klären. Doch auch wenn die Bundesrichter dem bürgerfreundlichen Kölner Ansatz folgen, ist die Auseinandersetzung nicht zwingend zu Ende. Denn die Richter bemängeln derzeit vor allem, dass keine gesetzliche Grundlage für die neuen Wehrdienstausnahmen (knapp unterdurchschnittliche Tauglichkeit, über 23-Jährige und Verheiratete) besteht.

Die Bundesregierung hat deshalb bereits reagiert. Sie hat eine Novelle des Wehrpflichtgesetzes auf den Weg gebracht, die im Oktober in Kraft treten soll. Dann muss neu gerechnet werden, wie es mit der Wehrgerechtigkeit aussieht.

Doch sollen diese Scharmützel ewig so weitergehen? Das Konzept der allgemeinen Wehrpflicht ächzt an allen Ecken und Enden. Sie ist nicht mehr notwendig und nicht mehr gerecht. Sie ist ein unverhältnismäßiger Einschnitt in das Leben junger Männer. Viele vergleichbare Staaten kommen inzwischen ohne sie aus. Die Bundesregierung sollte den notwendigen Strukturwandel nicht weiter verzögern.

Vor allem der Sozialbereich muss endlich wissen, ab wann er ohne Zivildienstleistende zu planen hat. Schädlich ist deshalb auch die neue Diskussion um eine allgemeine Dienstpflicht für Frauen und Männer. Sie wird sowieso nicht kommen, weil gerade der Sozialbereich für Zwangspflichten ziemlich ungeeignet ist.

Aber in Deutschland scheint es leider einfacher zu sein, eine neue Zwangspflicht einzuführen als eine alte abzuschaffen.