: Zu Hause noch harmlos
Maibock macht Biertrinkers Leben abwechslungsreich, spielt aber beim Umsatz kaum eine Rolle. Zwar bestimmt das Reinheitsgebot den Inhalt, ein paar Helferlein setzen die Brauer aber doch ein
von GERNOT KNÖDLER
Aus der Holsten-Brauerei in Altona kommt dieser Tage wieder ein Nischenprodukt in die Kneipen und Geschäfte: Maibock – ein helles, vollmundiges Bier mit gut zwei Prozent mehr Alkoholgehalt als das übliche Pils oder Export-Bier. Dieser Biertyp hat eine Tradition, die weiter zurückreicht als das Deutsche Reinheitsgebot von 1516. Trotzdem füllt er nur eine winzige Nische im Angebot, mit der die Marketing-Chefs der Brauereien einen zusätzlichen Kaufanreiz setzen und werbewirksame Ereignisse schaffen wie die Bockbier-Anstiche in Bayern. Das Reinheitsgebot spielt zwar eine größere Rolle als damals. Doch am Brauverfahren ist die Moderne mit ihrer Vielfalt an Hilfsstoffen nicht spurlos vorüber gegangen.
Das Bockbier ist norddeutschen Ursprungs. Im 14. Jahrhundert soll in Einbeck bei Hannover ein besonders starkes Bier gebraut worden sein, dessen Ruf sich bis nach Bayern verbreitete. In München schliff sich der Herkunftshinweis „nach einpöckischer Brauart“ bis auf die Vorsilbe „Bock“ ab.
Warum Bockbier gebraut wurde, dafür hat Hans-Georg Schaaf, Spezialist für die traditionelle Herstellung alkoholischer Getränke, gleich mehrere Erklärungen parat: Im Winter hätten die Leute besonders stark gebraut, einerseits um die letzte Gerste zu verbrauchen, andererseits um ein Ausnahme-Getränk zum Feiern zu haben. In den Klöstern habe das Starkbier den Mönchen geholfen, kalorienmäßig über die Fastenzeit hinweg zu kommen. „Wenn ich absolut nichts anderes haben darf, dann will ich wenigstens breit sein“, vermutet Schaaf als weiteres Motiv.
Holsten braut sein Starkbier als Festbock im Herbst und Winter und als Maibock zwischen Februar und Mai. „Die Wirte fragen das Bock nach, um ihr Angebot zu variieren“, sagt Holsten-Sprecher Udo Franke. Im Winter werde es mit stärker gerösteter Gerste dunkler gebraut, im Frühling hell. An den 110 Millionen Hektolitern Bier, die jährlich in Deutschland gebraut werden, hat Bockbier einen Anteil von weniger als einem Prozent.
Bock unterscheidet sich von anderen Biersorten allein durch den höheren Alkoholgehalt. Der entsteht dadurch, dass beim Brauen mehr Gersten- oder Weizenmalz verwendet wird, dessen Stärke in Malzzucker umgewandelt und von Hefepilzen zu Alkohol vergoren wird. Die Hefe kommt im Reinheitsgebot nicht vor, weil Pilzsporen aus der Luft früher von alleine in den Sud gelangten und die Gärung in Gang setzten. Die heutigen Brauer überlassen das nicht dem Zufall: Sie impfen den Sud mit Zuchthefe.
Doch das ist nicht alles. Nicht umsonst wird das Brauen an Universitäten gelehrt. „Wir vermehren Milchsäurebakterien und andere Mikroorganismen zur Einstellung des pH-Wertes im Bier“, sagt Friedhelm Langfeld von der Bioland-Brauerei Pinkus. Konventionell nach dem Reinheitsgebot arbeitende Brauereien machten das nicht anders. Im Ausland dagegen gäben manche Brauer industriell erzeugte Säuren in den Sud.
Tabu seien für Bio-Brauereien synthetische Filterhilfsmittel wie Polyvinylpolypyrrolidon. Sie sollen eine Trübung des Bieres verhindern, die dadurch entsteht, dass Einweiße mit Gerbstoffen reagieren. „Man initiiert diesen Vorgang, indem man künstliches Eiweiß oder künstliche Gerbstoffe zusetzt“, sagt Langfeld. „Diese Trübung kann man rausfiltern.“ Pinkus verwendet für diesen Zweck natürliches Kieselgel. Um dieses „Stabilisieren“ und Filtern möglichst unnötig zu machen, lasse er das Bier zudem mindestens sechs Wochen ruhen. In dieser Zeit kläre es sich von alleine.
Bier pasteurisieren dürfen auch Öko-Brauer. Das Bier verliert dann einen Teil seiner Vitamine, mit denen die Brauereiwirtschaft so gerne wirbt. Einige Brauereien werben damit, dass ihr Bier nicht pasteurisiert sei.
Alles in allem bescheinigt Langfeld seinen konventionellen Kollegen eine akzeptable Arbeit. „Man muss schon sagen, dass es in Deutschland noch harmlos ist“, sagt er. Bei dem, was die Brauer im Ausland dürften, werde ihm allerdings bange.
Selbst zu brauen kann man bei Hans-Georg Schaaf lernen: www.zaubertrank-hamburg.de