piwik no script img

Archiv-Artikel

Aventis braucht Sanofi nicht

Aventis hätte auch allein am Weltmarkt bestanden. Ob das für Sanofi gilt, ist fraglich

FRANKFURT/M. taz ■ „Wir brauchen Sanofi nicht, aber Sanofi braucht offenbar uns.“ Das konstatierte Aventis-Boss Igor Landau Anfang Februar auf dem Höhepunkt der inszenierten Abwehrschlacht gegen die angeblich drohende feindliche Übernahme von Aventis durch Sanofi-Synthélabo.

Dass die Fusion genannte „Übernahme“ gestern auch von Vorstand und Aufsichtsrat von Aventis plötzlich begrüßt und als „glücklich“ bezeichnet wurde, ändert nichts an der Richtigkeit der Einschätzung von Landau: Sanofi braucht Aventis.

Die Franzosen haben weit weniger in der Produktpipeline als Aventis. Und viele Patente des Konzerns laufen aus. Diese Medikamente können künftig als Nachahmerprodukte auch von kleineren Pharmafirmen produziert und billiger auf dem Weltmarkt verkauft werden.

Aventis dagegen hat nach eigenen Angaben zurzeit 94 neue Wirkstoffe und Impfstoffe in der Entwicklung; darunter bis zu zehn „Verkaufsschlager“ mit Umsätzen jenseits der Milliarden-Euro-Schwelle. Vier dieser „Blockbuster“ stünden kürz vor der Markteinführung. Die anderen befänden sich bereits in der klinischen Erprobungsphase – also ebenfalls in fortgeschrittenem Stadium.

So will Aventis noch in diesem Jahr das Antibiotikum „Ketek“ auf dem wichtigsten Pharmamarkt der Welt, den Vereinigten Staaten, einführen. Hinzu kommen ein schnell wirksames „Rapidinsulin“, das Krebsmittel „Genasense“ und das Dermatologieprodukt „Sculptra“.

Aventis hätte sich demnach auch allein am Weltmarkt behaupten können. Die Betriebsräte in Deutschland favorisieren darum nach wie vor eine Stand-alone-Politik von Aventis. Den Ausschlag für die Fusion mit Sanofi gab offenbar ausschließlich das auf 55,3 Milliarden Euro aufgestockte Angebot der Franzosen. Und die vereinbarte paritätische Besetzung des Vorstands der neuen Firma Sanofi-Aventis.

Die Betriebsräte befürchten jetzt Arbeitsplatzverluste in Deutschland und Frankreich. Im Rhein-Main-Gebiet werden die rund 3.000 Jobs in Forschung und Entwicklung wohl erhalten bleiben; was Sonofi während der Verhandlungen bereits zugesichert haben soll – sehr zur Freude auch von Ministerpräsident Roland Koch (CDU), der von der „hervorragenden Struktur der Arbeitnehmerschaft“ in der Branche in Südhessen sprach.

Dagegen dürfte es in allen Bereichen, die nicht mit der Forschung und Entwicklung neuer Produkte befasst sind, zu Entlassungen kommen; vor allem bei der Produktvermarktung und der Unternehmensverwaltung.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT