Kölner Grüne müssen Federn lassen

Mit dem Übertritt Ralph Scherbaums zur SPD verlieren die Grünen schon wieder ein langjährig aktives Mitglied – und ein Ratsmandat. Denn das will der von Schwarz-Grün enttäuschte Betriebsrat mit in seine neue politische Heimat nehmen

Von Frank Überall

Die Kölner Grünen haben wieder ein fleißiges Mitglied verloren. Nachdem die ehemalige Ratsfrau Petra May ihrer Partei verärgert den Rücken gekehrt hat, ist mit Ralph Scherbaum nun auch ein amtierendes Ratsmitglied ausgetreten. Der „beschäftigungspolitische Sprecher“ der Ratsfraktion trat demonstrativ zur SPD über und will dort bis zur Kommunalwahl sein Ratsmandat weiter ausüben.

Als Grund gab er gegenüber der taz vor allem Enttäuschung über die schwarz-grüne Koalition im Rathaus an. „Bündnis 90/Die Grünen machen die katastrophale Haushaltspolitik der CDU nicht nur mit – sie verschweigen auch noch das wahre Ausmaß der finanzpolitischen Misere in Köln“, schimpft Scherbaum, der über 15 Jahre aktiver Grüner war. Bei der Kandidatenaufstellung für die Kommunalwahl war er von der Basis nicht mehr für den Stadtrat berücksichtigt worden. „Schwarz-grün fördert nicht die Entwicklung Kölns, sondern blockiert sie“, findet Scherbaum. Zu dringenden arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitischen Fragen fänden die Grünen in Köln keine Antworten, meint der Betriebsrat der Kölner Verbund-Brauereien. Hinzu komme, dass sich die führenden Akteure seiner Ex-Partei „tatkräftig am Ämter- und Postenklüngel innerhalb der Stadtverwaltung“ beteiligten.

Nach der Kandidatenaufstellung sei ihm bewusst geworden, dass nach der Wahl die Handelnden gleich blieben: „An der Rolle der Grünen als Mehrheitsbeschaffer und Erfüllungsgehilfe der CDU wird sich auch künftig nichts ändern.“ In der Vergangenheit habe er die Grünen mehrfach zur Kurskorrektur aufgefordert, sagt Scherbaum. Er habe auch bei manchen Entscheidungen gegen die Koalition gestimmt: „Ich bin nicht mehr länger bereit, eine Politik zu verantworten, die Köln ins Abseits manövriert.“ Die SPD sei sozialer, betont Scherbaum, und stehe für eine solidere Finanzpolitik. „Zudem ist mit dem von Jochen Ott und Martin Börschel eingeschlagenen Kurs der Erneuerung das Bemühen nach Offenheit und Transparenz sowie ein deutlich anderer Umgang mit den Problemen Kölns als bei CDU und Bündnis 90/Die Grünen erkennbar.“

„Ich finde das sehr schade“, kommentierte Grünen-Kreissprecher Jörg Penner den Austritt. Scherbaum habe sich intensiv engagiert. Seine Austrittsgründe seien aber „absurd“ und zeugten von „getrübtem Realitätssinn“. Gerade die Grünen hätten das wahre Ausmaß des finanzpolitischen Desasters offen gelegt, das die SPD in den 90er Jahren mit Duldung der CDU im Wesentlichen verschuldet habe. Der Vorwurf des Postenklüngels sei auch nicht in Ordnung. „Das Grünen-Prinzip Fachkompetenz vor Parteibuch lässt sich nur mühsam durchsetzen und stößt allzu oft auch auf Widerstand bei CDU und OB“, räumte Penner aber ein. Von Scherbaum forderte er die Rückgabe des Ratsmandats, was der jedoch ablehnt.

Beim SPD-Fraktionsvorsitzenden Martin Börschel kommt jetzt richtig Freude auf. Der Ex-Grüne sei ihm durch seine „kompetente, sachorientierte und konstruktive Arbeit im Stadtrat“ aufgefallen – deshalb freue er sich auf die Zusammenarbeit in der SPD-Fraktion: „Scherbaums Austritt zeigt, dass Schwarz-Grün kein Reformmodell ist, sondern der Stadt schadet.“