Berufsberatung in vertrautem Ambiente

Jeden Donnerstag treffen sich im Container des Stadtteilvereins „Veedel e.V.“ in Ostheim Jugendliche zum „Azubi-Stammtisch“. Durch gezielte Beratung und Erfahrungsaustausch wollen sie ihre Jobaussichten verbessern

Köln taz ■ Große graue Kästen ragen links und rechts der Gernsheimer Straße in den Himmel. Nur ein Farbklecks bringt etwas Abwechslung in die eintönige Hochhauslandschaft im Osten Kölns: der blaue Veedels-Container, vor dem ein paar Ostheimer stehen. Dort wurde 1995 die Jugendeinrichtung von „Veedel e.V.“ untergebracht. Den ausrangierten Pausenraum hatte eine Kölner Firma dem Stadtteilverein gespendet. Inzwischen ist er Treffpunkt und Anlaufstelle für alle Generationen und Nationalitäten der Hochhaussiedlung.

Menschen aus 21 Ländern leben in der Gernsheimer Straße. „Herkunft und Hintergrund der Menschen mögen sich unterscheiden. Trotzdem kämpfen sie hier mit den gleichen Problemen“, sagt Rolf Blandow, Mitarbeiter bei „Veedel e.V.“. Er meint vor allem die hohe Arbeitslosenquote in Ostheim, die mit 19 Prozent deutlich über dem Kölner Durchschnitt liegt. Der Anteil an Sozialwohnungen ist mit 23 Prozent sogar fast doppelt so hoch wie im Rest der Domstadt.

Potenziellen Arbeitgebern reiche häufig die Angabe der Adresse als Ablehnungsgrund für eine Bewerbung aus, sagt Blandow. „Das liegt nicht zuletzt an der übertriebenen Negativberichterstattung des Express vor ein paar Jahren, darunter hat das Image der Straße sehr gelitten“, berichtet sein Kollege Thomas Bischofs. Viele Jugendliche bemühten sich vergeblich um eine Ausbildung, andere begannen eine und brachen sie wieder ab. „Kein Wunder in einem Umfeld, das von Arbeitslosigkeit geprägt ist“, meint Bischofs. „Außerdem haben die Jugendlichen noch nicht mal einen Platz, an dem sie in Ruhe lernen können.“

Mit diesen Jobaussichten wollten sich zehn junge Siedlungsbewohner nicht zufrieden geben. Gemeinsam initiierten sie ein „Stammtisch-Projekt“. Zunächst waren nur sporadische Treffen geplant, um Erfahrungen bei der Stellensuche auszutauschen. Das Thema sprach aber so viele Gleichaltrige an, dass schnell mehr daraus wurde: eine wöchentliche Veranstaltungsreihe, der „Azubi-Stammtisch“.

Bis Juni gibt es jeden Donnerstag (19 Uhr) ein Seminar aus den Bereichen Bewerbung, Beruf und Stellensuche. Die Jugendlichen selbst haben die Themen vorgeschlagen und sich um Referenten gekümmert. In den kommenden Wochen beraten Arbeitgeber und Gewerkschaftsvertreter die engagierten Ostheimer.

Zur ersten der acht Veranstaltungen am letzten Donnerstag kamen fünfzehn Jugendliche, um sich über „Profiling – Weiche Anforderungen in der Berufswelt“ zu informieren. „Genau so etwas brauchen wir, eine gezielte Beratung“, freut sich Hana Almahi. Sie ist 26, eine Ausbildung zur Arzthelferin brach sie nach einem Jahr ab, seitdem jobbt sie in Bäckereien. „Nach der Schule war ich mit der Berufswahl überfordert und wusste nicht recht, wo ich mich informieren sollte.“ Sie möchte Jüngere vor dem gleichen Fehler bewahren. Sie werde jedes Seminar besuchen, sagt sie, denn sie möchte endlich eine neue Ausbildung beginnen. „Zuerst muss ich herausfinden, welche Möglichkeiten es in meinem Alter überhaupt gibt.“

Die erlebnispädagogisch konzipierten Seminare im bekannten Umfeld erleichtern ihr das. „Da traue ich mich eher, Fragen zu stellen.“ Außerdem machen die Rollenspiele Spaß und die Botschaften prägen sich besser ein, erklärt eine ehrenamtliche Mitarbeiterin des Vereins.

Rolf Blandow hofft, dass die Veranstaltungen den Jugendlichen helfen, sich selbst besser einschätzen zu lernen. „Wenn sie die eigenen Stärken kennen, können sie auch selbstbewusster auftreten – bei der Bewerbung und während der Ausbildung.“ Gemeinsam mit anderen Mitarbeitern des „Veedel e.V.“ unterstützt er den Azubi-Stammtisch fachlich. Finanziert wird die Reihe durch das Projekt „Lokales Kapital für Soziale Zwecke“ (LOS) von Stadt, NRW und EU.

Wie ernst die jungen Ostheimer die Veranstaltungsreihe nehmen, zeigte sich bei der Auftaktparty Anfang April. Gewissenhaft füllten sie Fragebögen und aus und machten beim Quiz mit, für die anschließende Feier hatten dagegen viele keine Zeit mehr. „Obwohl ich dachte, dass wir die Leute mit Musik und Häppchen erst noch anlocken müssten“, so Blandow. Hana Almahi hat dafür eine Erklärung: „Wir wollen einfach unsere Perspektive verbessern. Das bringt uns zusammen.“ Alina Fichter

Infos: 0221-890 35 06