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Archiv-Artikel

Bund will Strieders Bauruine

Weil alles darauf hinweist, dass die Bauverwaltung die NS-Dokumentationsstätte niemals stemmt, denkt der Bund an Weiterbau in Eigenregie. Ob Architekt Zumthor noch dabei sein darf, ist unklar

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Noch vor drei Wochen sah es für die beiden Stadtfüchse, die auf der stillgelegten Baustelle des geplanten NS-Dokumentationszentrums „Topographie des Terrors“ hausen, gut aus: Mit dem Rücktritt von SPD-Bausenator Strieder hatte einer der letzten Fürsprecher des spektakulären Bauwerks das Feld geräumt. Zuvor hatte Reinhard Rürup, Direktor der Stiftung Topographie des Terrors, wegen des jahrelangen Baustopps, der Kostenexplosion und keinerlei Aussicht auf den Weiterbau entnervt das Handtuch geworfen. Und als Mitte des Monats Christina Weiss, Staatsministerin für Kultur, sagte, es sei „ein Punkt erreicht, bei dem man entscheiden muss: entweder Berlin beginnt zu bauen, oder man beginnt alles noch mal von vorne“, war angesichts des bekannten Unvermögens der Berliner Bauverwaltung, das Ding zu stemmen, klar: Auf dem einstigen Gestapo-Gelände wird sich nichts tun. Der komplizierte und 38 Millionen Euro teure Entwurf des Schweizer Architekten Peter Zumthor schien gelaufen.

Für Berlin und möglicherweise für den Architekten gilt das wohl so, aber nicht für das Projekt. Nach Informationen der taz überlegt der Bund derzeit, die Topographie des Terrors in Eigenregie zu bauen. Wie schon bei dem Neubau der Akademie der Künste am Pariser Platz, bei dem das Land ebenfalls Kosten und Planung nicht in den Griff bekam, soll die wichtige NS-Gedenkstätte aus der Obhut des Landes entlassen und vom Bund als Teil der Gedenktrias „gerettet“ werden.

Das Szenario des Bundes sieht derzeit so aus: Im Hause der Staatsministerin wird gerade eine Machbarkeitsstudie über die Realisierungschancen des aktuellen Zumthor-Entwurfs geprüft. Zugleich lässt Weiss vom Bundesbau- und -finanzministerium die bereits entstandenen und zukünftigen Kosten untersuchen, sagte ein Sprecher. Überlegt wird außerdem, welche Verfahren und Investitionen für den bestehenden Plan beziehungsweise für einen neuen Entwurf oder ein neues Konzept vorgenommen werden müssten. Laut Kanzleramt soll das Gutachten in ein paar Wochen fertig auf dem Tisch liegen, intern ausgewertet werden und sollen dann mit Berlins Kultursenator Thomas Flierl und der neuen Bausenatorin Gespräche geführt werden.

Nach Aussagen aus der Berliner Kulturverwaltung hat bisher der Zumthor-Bau für die Planung, die Errichtung der Treppentürme und Expertisen über 10 Millionen Euro verschlungen – und verschlingt täglich mehr. Verabredet war, dass Berlin und der Bund sich die Kosten von 38 Millionen Euro teilen. Sauer über die Berliner Unfähigkeit, eine klare Kalkulation vorzulegen, hatte Weiss jetzt gedroht, ihren Anteil zurückzuziehen.

Dass der Bund sich allein für die Topographie engagieren könnte, resultiert auch aus den jüngsten desaströsen Versuchen der Bauverwaltung, per Ausschreibung einen Unternehmer für das Gebäude zu finden. Nach Auskunft der Stiftung reichten zwar Firmen Angebote ein, doch zu schlechten Konditionen. Einzig die – wegen der Topographie – in Konkurs gegangene Firma Heibus „neu“ soll eine Kalkulation im Kostenrahmen vorgelegt haben. Stiftungsmitgliedern jedoch ist das Angebot nicht seriös genug. „Die melden wieder Insolvenz an, kaum dass gebaut wird. Dann haben wir die gleiche Situation wie jetzt“, so ein Mitglied.

Anders gesagt: Bis heute stehen auf dem Gelände drei Treppentürme, und die Bauverwaltung hat bis dato, 2004, kein verlässliches Angebot einer Firma für den Weiterbau. 1994 hatte Zumthor den Bauwettbewerb mit seiner filigranen Stabwerkskonstruktion gewonnen. Das architektonisch ambitionierte Projekt war von 18 Millionen Euro auf 38 Millionen geklettert. Gleichzeitig hatte sich herausgestellt, dass Baufirmen nicht in der Lage waren, die Betonkonstruktion zu errichten.

Während sich die Bauverwaltung nicht als Totengräber der Topographie schelten lassen möchte (Sprecherin Reetz: „Wir machen weiter“), flirtet man in der Kulturverwaltung mit dem Bund-Plan hinter vorgehaltener Hand. Man wäre damit die lähmende Kosten- und Baudebatte endlich los. Vielleicht auch den Architekten Zumthor. Aber was noch viel wichtiger ist: Das Projekt NS-Dokumentationszentrum Topographie des Terrors hätte wieder Zukunft.