Für jeden einen Kontaktbeamten

Trotz Großkampftag setzt die Berliner Polizei bei den Krawallmachern auf Manndeckung

BERLIN taz ■ Nach seiner Prognose für den Verlauf des 1. Mai befragt, gibt sich Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch gelassen. „Es ist völlig offen, was passiert.“ So blauäugig, dass er glaubt, die Randale-Tradition in Berlin könne nach 17 Jahren in Folge an diesem 1. Mai durchbrochen werden, ist der oberste Ordnungshüter natürlich nicht. Intern geht die Polizei davon aus, dass es in der Hauptstadt am Wochenende wieder knallt – nicht nur am 1. Mai in Kreuzberg, sondern schon am Abend zuvor, in der Walpurgisnacht, in Prenzlauer Berg.

Der Großkampftag in Kreuzberg ist für die Polizei Höhepunkt einer harten Woche. Konnten sie sich in der Vergangenheit ausgeruht in die Maifestspiele stürzen, sind sie diesmal bereits seit Mittwoch zum Schutz der OSZE-Konferenz über Antisemitismus im Einsatz. Hohe Vertreter jüdischer Organisationen, Außenminister, darunter auch Colin Powell aus den USA, und der israelische Präsident Mosche Katsav gehören zu den Teilnehmern. Am Freitag kulminieren die Ereignisse mit den Feierlichkeiten zur EU-Erweiterung und der Walpurgisnacht. Am Samstag kommt’s dann ganz dicke. Nicht nur nur der DGB und die Autonomen demonstrieren am 1. Mai, auch die NPD.

Inklusive der Unterstützungskräfte aus dem übrigen Bundesgebiet werden 8.000 Beamten im Großeinsatz sein. Als Leitlinie hat der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) wie in den Vorjahren das Deeskalationskonzept der ausgestreckten Hand ausgegeben. Sprich: größtmögliche Zurückhaltung bei den Demonstrationen der Linken sowie auf dem großen Straßenfest „Myfest“, zu dem über 20.000 Gäste erwartet werden und wegen dem halb Kreuzberg für den Autoverkehr gesperrt sein wird.

Doch der Schein der Zurückhaltung trügt. Hinter den Kulissen wird die Polizei umso mehr präsent sein. Denn eines hat man sich geschworen: Bilder, auf denen Jugendliche, allen voran Migrantenkids, in Seelenruhe auf zu Barrikaden umfunktionierten Autos posieren, soll es nicht wieder geben. Im vergangenen Jahr hatte die Polizei aufgrund von Abstimmungsproblemen etwa eine halbe Stunde nicht eingegriffen. „Diesmal wird die Reaktionszeit sehr kurz sein“, verspricht Polizeichef Glietsch.

Aber auch das ist die Lehre aus den Vorjahren: Nicht jedes brennende Auto wird zum Flächenbrand. Anders, wenn behelmte Hundertschaften auf den den Plan treten. Das wird auch von den Unentschlossenen als Signal gewertet, dass nun die Straßenschlacht losgeht. Auch aus diesem Dilemma hat sich Glietsch einen Ausweg überlegt. Der frühere Inspekteur der Bereitschaftspolizei von Nordrhein-Westfalen, der einst in Ahaus einen Castor zu früh auf die Schiene schickte und damit tausende von Atomkraftgegnern leimte, setzt auf „Manndeckung“, Aufenthaltsverbote und Ingewahrsamnahme.

Durchgesetzt werden soll dieses Konzept am 1. Mai von einer nicht näher bezifferten Zahl von Beamten in Zivil, die sich an die Fersen entschlossen dreinschauender Migrantenkids heften und diesen offen zeigen sollen: Wir beobachten euch. Personen, die so aussehen, als wollten sie sich „zusammenrotten“, so Glietsch, werden in einer neu geschaffenen Datei als verdächtig „gelabelt“ und bekommen einen Platzverweis. Wer nochmals auftaucht, so Glietschs Konzept, wandert bis zum Ende des darauf folgenden Tages in Unterbindungsgewahrsam.

Auch auf einen verstärkten Einsatz der neuen Videotechnik müssten sich Steinwerfer gefasst machen, kündigte der Polizeichef an. Die Fotos könnten vor Ort ausgedruckt, mit Kopierern vervielfältigt und zu Fahndungszwecken verteilt werden.

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