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Archiv-Artikel

Zärtlich sind die Steine

Musik von einer Grenze, an der alles möglich ist: Tish Hinojosa spielt Lieder, die das Herz rühren. Das verbindet sie mit Jonathan Richman, den kindlich-weisen Mann des Rock‘n‘Roll

von Marc Peschke

An der frontera, an der Grenze, da gibt es keine Musik. Da gibt es Schlangen und Skorpione und vor allem jene unsichtbare Linie, welche die USA und Mexiko trennt. Calexico haben diese Grenze besungen, haben sie zu einem mythischen Ort der Popmusik gemacht, ohne die sozialen Implikationen zu verschweigen. Dasselbe tut (auf freilich ganz andere Weise) die texanische Sängerin und Gitarristin Tish Hinojosa.

Ganz weit weg von der im Grenzgebiet obligaten Texmex-Folklore rühren ihre englisch und spanisch gesungenen Stücke das Herz, das zärtliche „Aquella Noche“ etwa, ein Lied über eine ganz besondere Nacht; genauso wie sie verdeutlichen, dass in der Grenzregion zwischen Rio Bravo und dem Colorado River beinahe alles möglich ist. Taos To Tennessee, Bandera Del Sol oder die Hommage an Frida Kahlo, „Manos Huesos Y Sangre“: Mal zitiert Hinojosa Mercedes Sosa, dann Bob Bylan und im nächsten Augenblick Emmylou Harris. Alles klingt zusammen, Düsteres und Heiteres – Folk, Country, spanische Volksmusik, Polka und sogar ein Quentchen Indie-Rock.

Dass die in San Antonio geborene Hinojosa seit zwanzig Jahren unterwegs ist, hört man dieser wunderbaren Musik kaum an. Auch nicht, dass sie in den Countrysong-Fabriken von Nashville in den 80er Jahren vor allem Fremdkompositionen für die großen Musikverlage aufgenommen hat. Zwischen 1988 und 2002 veröffentlichte Hinojosa 14 Alben bei vier verschiedenen Plattenfirmen – da sage noch einer, im Country und Folk gehe alles noch ein wenig gemächlicher zu als in der Popmusik.

Vor kurzem ist ein Livealbum erschienen, das Hinojosa im Cactus Café in Austin aufgenommen hat. Wenn das Konzert am Montag im Knust so schön wird wie das Album, wird das ein ganz besonderer Abend.

Wer spanische Folksongs liebt, der könnte übrigens auch am darauf folgenden Freitag bei Jonathan Richman in der Tanzhalle St. Pauli fündig werden: Der seit langem in Spanien lebende Gründer der Modern Lovers, allgemein bekannt als das gute Gesicht eines ursympathischen, warmherzigen, kindlichen und unendlich weisen Rock‘n‘Roll, hat nicht nur Titel wie „Egyptian Reggae“, „Fender Stratocaster“, „I was dancing in the lesbian bar“, „Pablo Picasso“ und „Give Paris One More Chance“ geschrieben. Sondern auch ganz schlichte, spanische Folksongs. Wer Jonathan Richman einmal live gesehen hat, wird das – ganz großes Ehrenwort – nie mehr vergessen. Es ist zum Heulen schön – und selten sieht man so viele Menschen lächeln.

Tish Hinojosa: Montag, 20 Uhr, Knust im Schlachthof