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Archiv-Artikel

Moessinger wird erste Zeugin der Anklage

Untersuchungsausschuss zur Tempodrom-Affäre will Kulturzelt-Gründerin als erste Zeugin hören. Ausschuss braucht mehr Zeit für seine Arbeit. Grüne: Aktenlage lässt erkennen, dass kein stimmiges Finanzierungskonzept für Bau vorlag

So lustig wie die Show mit ihrem Schweinchen „Oskar“ in der Zirkusarena wird der öffentliche Auftritt von Irene Moessinger vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Tempdrom-Affäre garantiert nicht. Denn das Gremium wird am 17. Mai die Gründerin und Betreiberin des Kulturzelts als erste Zeugin in die Mangel nehmen.

Man erhoffe sich Aussagen zur Chronologie des Bauvorhabens am Anhalter Bahnhof, sagte der Ausschussvorsitzende Michael Braun (CDU) nach der gestrigen Sitzung. Und was noch viel ernster werden könnte für die langjährige Tempodrom-Chefin: Moessinger soll zu dem vermuteten „Geflecht aus finanziellen Verpflichtungen“, so Braun, vernommen werden. Neben Moessinger sind für die vierte Sitzung des Ausschusses Mitte Mai auch Tempodrom-Mitbegründer Norbert Waehl und der Kabarettist und Stiftungsrat Arnulf Rating als Zeugen geladen.

Der Untersuchungsausschuss hatte sich vor drei Monaten konstituiert, um Licht in den Finanzskandal beim überteuerten Bau des Neuen Tempodroms zu bringen. Jetzt hat man sich auf den Ablauf geeinigt. Insbesondere die Rolle von Exbausenator Strieder (SPD), dem vorgeworfen wird, das 30 Millionen Euro teure Kulturzelt über die Maßen mit öffentlichen Geldern versorgt zu haben, soll beleuchtet werden. Gegen Strieder, der seine politischen Ämter deshalb niederlegen musste, ermittelt die Staatsanwaltschaft zudem wegen möglicher Untreue.

Man habe die einstigen Tempodrom-Protagonisten als erste Zeugen benannt, um einen genaueren Einblick in Entstehung, Planung, Finanzierung, die Rolle der Bauverwaltung und den Bauablauf des Neuen Tempodroms zu erhalten, sagte Braun. Danach werde der Ausschuss entscheiden, wer noch als Zeuge geladen wird.

Zugleich sagten Braun und Dilek Kolat, Mitglied der SPD im Ausschuss, dass das Gremium sich länger als geplant Zeit für seine Arbeit nehmen müsse. Allein wegen der Datenfülle könne der Abschlussbericht nicht im Oktober vorgelegt werden. „Wir werden nicht mit der erhofften Schnelligkeit zum Abschluss kommen“, so Braun. Bislang habe der Ausschuss 283 Aktenordner zur Sichtung erhalten, darunter allein 125 Ordner von der Landesbank (LBB) und der Investitionsbank (IBB). Zudem müssten bei der Staatsanwaltschaft 85 Umzugskartons mit jeweils zehn bis zwölf Ordnern eingesehen werden – darunter auch Material über den Tempodrom-Förderer und Bauunternehmer Roland Specker.

Während gestern die Vertreter von CDU, SPD und PDS keine Angaben zu der Aktenlage und ihren Erkenntnissen machten, ließ Oliver Schruoffeneger (Grüne) Einzelheiten durchblicken. Nach seiner „Einschätzung“, sagte er, „wage ich die These, dass beim Bau des Tempodroms [1999 bis 2001; d. Red.] kein stimmiges Finanzierungskonzept vorgelegen hat“. Welchen Anteil daran Strieders Bauverwaltung gehabt habe, wollte Schruoffeneger aber noch nicht verraten.

ROLF LAUTENSCHLÄGER