Visionarium

Expertenrunde debattierte über den Kunsthallen-Anbau

Ein surreale Szenerie. Beanzugte Menschen geistern durch die Dämmerung und messen mit meterlangen Schritten 700 Quadratmeter große Flächen an der Kunsthalle ab. Rechts und links, dahinter und gegenüber.So geht die gerade im Vortragssaal des Museums beendete Debatte weiter. Die 1849 auf einem Schuttplatz entstandene Kunsthalle muss und soll einen Erweiterungsbau bekommen (taz, 30.4.). Nach dem Warum geht es nun ums Wo, Wie und Wann.

Wann? Kunsthallen-Direktor Wulf Herzogenrath: „Wenn die Politik zustimmt, kann der Architekturwettbewerb im Winter starten.“ Mehr als 30 Millionen Euro ständen für den Bau nicht zur Verfügung. Die Funktionalität stehe im Mittelpunkt.

Leuchtturm am Tempel?

Für die Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas wurde allerdings eine „Leuchtturm-Funktion“ eingefordert. Also gleich architektonisch gen Himmel streben? Wie könnte ein Anbau den Dialog führen mit der Wallanlage – und dem traditionellen Rundbogenstil des Musentempels? Zu klären sei, so Architekt Manfred Schomers, ob man auf die Konfrontation des Collagen-Prinzips setze – siehe Egon Eiermanns Quader neben der Berliner Gedächtniskirche – oder Mimikry bevorzuge, also die Anpassung an den Ursprungsbau.

Ausgeschieden ist wohl die Variante, über die Wall-Straße hinweg zu bauen. Senatsbaurat Uwe Bodemann meinte, die Idee einander spiegelnder Fassaden sei schon von Marcks-Haus und Ostertorwache – gleich nebenan – auf klassizistische Weise bestens repräsentiert.

Der Platz in Richtung Altenwall komme ebenfalls nicht in Betracht, da dort ein alter Baumbestand zu schützen sei. Außerdem müsse die seit 1977 denkmalgeschützte Wallanlage den Solitär Kunsthalle weiterhin liebevoll umspielen, die Weg- und Blickführung nicht versperren. Somit bleibt im Rennen die bereits Anfang des 20. Jahrhunderts betriebene rückwärtige Verlängerung der Kunsthalle.

Der Charme der Mängel

Und was ist mit dem Düttmann-Bau, der neben die Kunsthalle gequetscht, mit Ziegeln entstellend verkleidet und von Efeu berankt wurde? „Wir haben ihn immer scheußlich gefunden“, hieß es im Publikum, er sei abgetaucht in„in ästhetische Finsternis“.

Von einem voll funktionsfähigen Bauwerk solle man sich nach nur 30 Jahren nicht leichtfertig trennen, mahnte Schomers.

Angeregt wurde eine Überformung des Baus – in „respektvoller Kreativität“. Andererseits habe der ästhetisch den 60er-Jahren angepasste Kubus keine „Leuchtturm-Funktion“, zeichne sich durch den „Charme traditionsreicher Mängel“ aus. 700 Quadratmeter für einen Neubau wären nach dem Abriss vorhanden. Das ist abgeschritten worden. fis