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Archiv-Artikel

Kreuzritter ohne Pferd

Der Cowboy George W. Bush. Über einen Hippophobiker mit Messias-Komplex

Ein Cowboy ohne Pferd ist wie Bayern ohne Bier oder die Alpen ohne Berge

Die Geschichte des „kleinen Hans“, eines Jungen mit einer Pferdephobie, gehört zu den klassischen Fallbeschreibungen Sigmund Freuds: Der dreijährige Hans hatte ein lebhaftes Interesse für den Teil seines Körpers, den er „Wiwimacher“ nannte. Von seiner Mutter mit der Hand am Penis ertappt, drohte sie ihm, den Penis abzuschneiden. Später entwickelte Hans eine Phobie vor Pferden und fürchtete sich, von ihnen gebissen zu werden. Der Begründer der Psychoanalyse interpretierte das Pferd als Vater und die übermäßige Furcht des kleinen Hans als Kastrationsangst durch den drohenden Konkurrenten im „ödipalen“ Kampf um die Mutter. Freud hat den Fall des kleinen Hans als Musterbeispiel für seine Sexualtheorie in seinem Spätwerk oft zitiert – und ein Blick auf diese Patientengeschichte mag auch bei der Analyse eines aktuellen Patienten hilfreich sein: des Kriegsherrn, „Cowboys“ und heimlichen Hippophobikers George W. Bush.

Wir wissen nicht, ob zwischen der starken Mutter Barbara, dem kleinen George W. und seinem „Wiwimacher“ Ähnliches vorgefallen ist – dass aber der mächtigste Mann der Welt Angst vor Pferden hat, ist eines seiner wohlgehüteten Geheimnisse. Schon forderten Unterstützer der Präsidentschafts-Kampagne des Demokraten Wesley Clarke, dass der General sich in seinen Spots hoch zu Ross zeigen solle, um den hippophoben Bush zu demütigen und den selbst ernannten Cowboy definitiv als Fake zu entlarven.

Der Schauspieler Ronald Reagan gerierte sich als Präsident zwar nicht als Westernheld, ließ sich aber gern und selbstverständlich zu Pferde auf seiner kalifornischen Ranch ablichten – im karierten Hemd, beim Ausbessern der Zäune: Willkommen im Marlboro-Land. Dass von dem reitunfähigen George W. Bush solche Aufnahmen nicht existieren – obwohl ihm als „freedom fighter“ doch derlei Geschmack von Freiheit und Abenteuer bestens zu Gesicht stünde –, ist kein Zufall. Und es lässt tief blicken, dass die PR- und Image-Berater Bushs es nicht einmal mit einem valiumgetränkten Gaul versuchten, wo doch ein Cowboy ohne Pferd etwas ist wie Bayern ohne Bier oder die Alpen ohne Berge, also völlig unmöglich.

Auch wenn man die Freud’-sche Psychoanalyse nicht für der Weisheit letzten Schluss und es eher mit James Hillman und Michael Ventura hält („100 Jahre Psychotherapie – und der Welt geht’s immer schlechter“), scheint der Zusammenhang der Pferdeangst des Präsidenten mit seinem Vater nicht so einfach von der Hand zu weisen. In seinem neuen Buch über die Hintergründe der Entscheidung zum Irakkrieg hat Bob Woodward Erstaunliches berichtet: „Hat Mr. Bush seinen Vater um Rat gefragt? Ich fragte den Präsidenten dazu und Präsident Bush sagte – ‚Well, no‘ – und ging darüber in die Defensive. Und dann sagte er etwas, was mich sprachlos machte: ‚Er ist der falsche Vater, um ihn um Rat zu bitten. Der falsche Vater, um zu ihm zu gehen und um Stärke zu bitten.‘ Und dann sagt er: ‚Da ist ein höherer Vater, den ich darum bitte.‘“

Neben dem Pferde-und Vaterkomplex und einem Hang zu Übermuttis hat sich Bush in seiner Neurotikerkarriere offenbar auch noch einen schweren Messias-Komplex eingefangen und glaubt tatsächlich – in erschreckender Parallelität zu seinem terroristischen Gegenspieler Ussama Bin Laden –, in göttlicher Mission unterwegs zu sein.

Wenn Bomben im Namen des Herrn explodieren, ist irdischer Rat, gar von erfahrenen Ministern und Militärs, nicht mehr vonnöten. Und so scheinen in Bushs Weißem Haus rationale Kommunikation und Konsultationen weitgehend außer Kraft und ersetzt durch die Eingebungen höherer metaphysischer Instanzen auf der einen sowie durch primitive, primatenhafte Körpersprache auf der anderen Seite.

Seit Jane Goodalls Beobachtungen von Affen, so die Kolumnistin der New York Times, Maureen Dowd, hätte es „eine derart lebendige Studie nonverbalen Primatenverhaltens“, wie sie derzeit von den Alpha-Männchen in Washington zelebriert würde, nicht mehr gegeben. Neben dem kleinen George, als Kreuzritter ohne Pferd und Tadel, dominiert da vor allem der starke Dick – Vizepräsident Cheney – das Feld. Zu einer luxuriösen Jagdparty ließ er nicht nur den wichtigsten Verfassungsrichter samt Familie auf Staatskosten einfliegen, sondern auch 500 Fasane und Enten einkaufen, die den Hobbykillern vor die Flinte getrieben wurden. Nicht erst seit Hermann Göring eine durchaus übliche Methode, höheren Jagdherrschaften Befriedigung zu verschaffen.

Doch bevor wir anhand des Verhältnisses von Mensch und Tier hier weiter auf den Charakter schließen, rufen wir doch lieber nach den Experten. Das ist eindeutig ein Fall für Primaten-Therapeuten!  MATHIAS BRÖCKERS