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Archiv-Artikel

Gekommen, um zu nerven

In „Schattenkind“ geht Dr. Maximilian Bloch mal wieder allen schrecklich auf den Geist – gut so (20.15 Uhr, ARD)

Der eine Bruder stirbt, der andere kann ihm das Leben retten. Was gibt es denn da noch lange zu bequatschen? Dr. Maximilian Bloch (Dieter Pfaff) ist gekommen, um zu nerven. Als psychologischer Gutachter soll er eigentlich nur mal kurz abnicken, dass der 18-jährige Lasse seinem an Leberkrebs leidenden Zwillingsbruder Lukas einen Teil des lebenswichtigen Organs spenden kann.

Doch dann geht Bloch mal wieder allen auf dem Geist: Dem zukünftigen Spender, dem er auf den Zahn fühlt und dabei arg zusetzt. Dem zuständigen Arzt, der nun wirklich wenig Verständnis für Blochs Luxusgequatsche aufbringen kann. Und vor allem den Eltern, die bei verstreichender Zeit immer mehr um das Leben ihres kranken Kindes bangen müssen.

So ist das nun mal bei diesem Psychologen: Bei seinen wirklich guten TV-Sitzungen raubt er wirklich allen den Nerv. Selbst dem Zuschauer. In der heutigen Folge „Schattenkind“ (Regie: Christoph Stark; Buch: Silke Zertz) geht er wirklich mal wieder an Grenzen, seine Souveränität bekommt im Angesicht der Todesgefahr unweigerlich die Anmutung von Selbstherrlichkeit. So was verzeiht man nicht so leicht. Aber so muss es wohl sein, wenn man humanistische Formeln außer Kraft zu setzen hat, um den Menschen dahinter in seinem ganzen unformelhaften Wesen zu erfassen.

Leben retten klingt gut, Organspende ist Ehrensache. Was interessieren die kleinen Zipperlein im Dachstübchen des einen, wenn das monströse Sterben des anderen beendet werden kann?

Geschickt wird hier die Geschichte der Zwillinge Lasse und Lukas ausgebreitet, die einander in so glücklicher wie gefährlicher Weise ergänzen: Der eine ist kerngesund und hat sich stets allein durchs Leben geschlagen, der andere hat seit frühester Kindheit etliche Krebstherapien hinter sich, die er nur durch die elterliche Zuwendung und organische Spenden unterschiedlicher Art seitens des Bruders überstanden hat. Doch der Retter ist müde. Er will nicht mehr ewiges Ersatzteillager für seinen ewig kranken Bruder sein.

Was leicht zur vereinfachenden Fallstudie hätte verkommen können, wird durch Blochs schmerzliche Bohrung zum komplexen Brüderdrama. Und was allzu schnell als geschwisterliche Selbstzerfleischung hätte enden können, entwickelt sich besonders durch die souverän gemeisterte Doppelrolle Florian Bartholomäis (in bester Erinnerung aus der Edgar-Selge-Komödie „Reine Geschmacksache“) zur Beziehungsanalyse, mittels derer die Zwillinge die ihnen vorgegebenen Rollen überwinden können. So gesehen gilt nach „Schattenkind“ mehr denn je: Bloch, nerv weiter!

CHRISTIAN BUSS