: Einen Schritt vor und zwei zurück
Trotz positiver Äußerungen ist noch immer unklar, welche Aids-Politik die Regierung Südafrikas verfolgt. Seit Monaten schon verweigert die Gesundheitsministerin die Zustimmung für einen nationalen Rahmenplan zur Bekämpfung von Aids
aus Johannesburg MARTINA SCHWIKOWSKI
Trotz zunehmender Gespräche und Treffen zwischen Aidsaktivisten und Südafrikas Regierung in den vergangenen Tagen herrscht eher Verwirrung hinsichtlich konkreter Aktionen, die Aidsepidemie möglichst schnell einzudämmen. Auch die positiven Signale, die nach einer Diskussion mit dem nationalen Aidsbeirat und Verhandlungspartnern, darunter der Aktivistengruppe „Treatment Action Campaign“ (TAC), am letzten Wochenende ausgesandt worden sind, brachten keine Klärung.
Nach einer Erklärungen des Aidsbeirats, der von der Regierung bereits vor drei Jahren eingerichtet wurde, befinden sich „Überlegungen der Regierung hinsichtlich weiterer Entscheidung zur Verabreichung von Anti-Aidsmedikamenten in fortgeschrittenem Stadium“. Ob das bedeutet, dass Südafrika in naher Zukunft Anti-Aidsmedikamente endlich auch in öffentlichen Krankenhäusern zur Behandlung anbietet – das bleibt noch offen. Ende Juni soll jetzt das Kabinett darüber entscheiden.
In Südafrika leben etwa fünf Millionen Menschen mit der Immunschwächekrankheit. Mark Heywood, Berater in Rechtsfragen für die lobbystarke TAC-Gruppe, umschreibt die Stimmung so: „Wir setzen momentan ein gutes Gesicht auf.“ Doch sollte nach der angekündigten Kabinettssitzung „nichts“ herauskommen, werden die Aktivisten erneut einen Gerichtsprozess gegen die Regierung in die Wege leiten. Bereits im vergangenen Jahr hatte ein Urteil die Regierung verpflichtet, das Medikament Nevirapin für schwangere Frauen landesweit öffentlich in Krankenhäusern zu verteilen. Es soll das Infektionsrisiko für Ungeborene mindern, ist jedoch bisher noch nicht in allen Provinzen und Kliniken erhältlich.
„Wir hoffen, dass es nicht zu weiteren Prozessen kommen muss“, sagt Heywood. Aber der Aidsbeirat, in dem Vertreter aus Gesellschaftsbereichen wie Kirche, Gewerkschaften sowie Regierungsangehörige mitarbeiten, sei bisher untauglich gewesen. Die jetzige Ankündigung, dass eine positive Entwickung in der Aidsbehandlung auch für die mehrheitlich betroffene, arme Bevölkerung in Südafrika anstehe, möchten die Aktivisten zwar gern glauben, können sich aber der Skepsis nicht erwehren.
Hinsichtlich einer ebenfalls von TAC angestrebten Initiative, einen nationalen Rahmenplan zur Vorbeugung und Behandlung von Aids zu verabschieden, seien auch stärkere Überlegungen im Gange, hieß es jetzt nach dem jüngsten Treffen.
Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertretern der Regierung, Wirtschaft, dem Arbeitssektor und gesellschaftlichen Organisationen (National Economic Development and Labour Council, Nedlac), hatte dazu bereits Schritte im November 2002 aufgestellt. Mehr als 700 Organisationen unterzeichneten den Plan. Während auch die Vertreter aus Wirtschafts- und Arbeitsbereichen ihre Unterschrift zusagten, hat die Regierung sich bisher zurückgehalten.
Das typisch schnippisch-arrogante Verhalten der Gesundheitsministerin Manto Tshabalala-Msimang spricht Bände: „Die Regierung hat bereits die dort erwähnten Programme umgesetzt. Warum soll ich das Dokument dann unterzeichnen?“
Die Ministerin liege völlig falsch, erklärte dagegen Heywood. In der Tat seien viele Punkte in dem Plan auch bereits Programme der Regierung, aber nicht die Versorgung mit Anti-Aidsmedikamenten. Außerdem konkretisiere das so genannte Nedlac-Papier Maßnahmen, freiwillige Tests und Beratungen für wie viele Menschen in welchen Kliniken und Trainingsprogramme für das Personal.
Wenige Tage später wird dann die Haltung der Ministerin weniger sarkastisch propagiert. Es sei unwahr, dass die Regierung sich weigere, den Plan zu unterschreiben. Die Regierung wolle sicherstellen, dass die Diskussion von einer gut informierten Position über Finanzen und infrastrukturelle Konsequenzen geführt werde. „Aids ist eine große Herausforderung für uns“, sagte die Ministerin, die häufig ausbaden und zurechtrücken musste, was Präsident Thabo Mbeki zuvor öffentlich anzweifelte: HIV verursacht Aids.
Der Präsident schweigt seit dem Sturm der Entrüstung in aller Welt dazu. Die Regierung versuche laut Ministerin, mit der Vielschichtigkeit des Problems klarzukommen und wolle das Beste tun. Aber auf langfristige Sicht, und dafür müssten viele Mängel in der Versorgungsstruktur überwunden werden.
„Wir wissen, dass die Regierung genügend Geld hat, Medikamente zu verabreichen“, sagte Heywood. Der Bericht zur Finanzlage sei jetzt vorhanden. Demnach gebe es genügend Mittel, um in Südafrika über die nächsten Jahre entsprechende Behandlungen mit Anti-Aidsmedikamenten zu starten. Auch ist der Haushalt im Gesundheitsministerium für Aids erhöht worden. „Die Regierung merkt, sie kann nicht mehr länger verzögern“, hofft Heywood.
Wegen angeblich „technischer“ Mängel platzte auch im vergangenen Monat ein Vertrag, den der Globale Fonds, Hilfswerk der Vereinten Nationen, für die südafrikanische Regierung aufgesetzt hatte. Als Direktor Richard Feachem angereist war, um 700 Millionen Rand (etwa 77 Millionen Euro) Spendengelder als Aidshilfe für die besonders betroffene Provinz KwaZulu-Natal fließen zu lassen, musste er ohne Unterschrift wieder abreisen. Das Geld ist noch vorhanden, sobald sich die Regierung entscheidet, es auch abzurufen.
TAC-Vorsitzender Zackie Achmat erklärte unlängst auf die Frage, was steckt nun wirklich hinter dieser Politik: „Ein deutliches Angehen der Krise ist wohl mehr ein Wunsch der Regierung, aber es gibt kaum ein wahrheitsgemäßes Wort. Sie bringt uns einen Schritt vorwärts und zwei zurück.“ Es sei schier unmöglich, mit der Gesundheitsministerin zusammenzuarbeiten. „Doch innerhalb der Regierungspartei gibt es genügend virusinfizierte Parlamentarier, die etwas verändern wollen.“
In Südafrika sterben 600 Menschen an Aids pro Tag. Für TAC und die Kranken dauert der Prozess zur Verbesserung der Situation zu lange. Die Aktivisten hatten im April eine Kampagne des zivilen Ungehorsams gestartet. Wegen der laufenden Gespräche ist die Aktion zunächst gestoppt worden. Aber damals hatte TAC auch gegen Gesundheitsministerin Tshabalala-Msimang sowie Handelsminister Alec Erwin eine polizeiliche Untersuchung wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet. „Das ist kein Werbegag für uns, sondern wir haben ernsthafte Vorwürfe: Anti-Aidsmedikamente werden zurückgehalten, und der Handelsminister nutzt nicht seine legale Macht, Lizenzen für Nachahmerprodukte und damit Medizin für viele Menschen erschwinglich zu machen“, sagt Heywood. In der Zwischenzeit hätten bereits tausende Leben gerettet werden können.