: Billigere Gesellen aus NRW
IG-Metall-Bezirksverband in NRW unterstützt den ‚Kleinen Gesellenbrief‘ und weicht vom Kurs der Muttergewerkschaft ab. Die NRW-Gewerkschafter glauben, mit den verkürzten Lehrzeiten gerade theorieschwachen Lehrlingen eine Berufschance zu geben
VON SALVIO INCORVAIA
Die nordrhein-westfälische IG-Metall probt den Aufstand gegen die Dachgewerkschaft. Im Fadenkreuz des Konflikts stehen die Modellprojekte zur Ausbildungsverkürzung: „Die Kollegen in NRW gehen einen falschen Weg. Die neuen Qualifikationen drücken die Tarife in den Branchen mit den neuen, kürzeren Ausbildungswegen“, sagt Klaus Heimann, Ausbildungsexperte des Bundesverbandes der IG-Metall. Der Gewerkschaftstags-Beschluss zur Beibehaltung der dreijährigen Ausbildung vom Oktober 2003 gelte auch für Nordrhein-Westfalen.
Aktueller Anlass für den Konflikt zwischen Bundes- und Landesgewerkschaft ist die Einrichtung einer nur zweijährigen Ausbildung zum Kfz-Servicemechaniker durch Arbeitgeber, IG-Metall-NRW und Landesarbeitsministerium. Die drei im sogenannten Ausbildungskonsens zusammengeschlossenen Partner wollen verkürzte und vereinfachte Ausbildungsgänge in NRW testen und schaffen. Im Gegensatz zum Kurs der Bundes-IG-Metall saß auch die NRW-Industriegewerkschaft mit im Boot.
Sie sieht sich dennoch voll auf Gewerkschaftslinie: „Wir wollen eine erleichterte Eintrittsmöglichkeit in den Kfz-Beruf für theorieschwache Jugendliche erproben und damit eine reale Aufstiegschance über diese Zwischenstufe zum vollwertigen KFZ-Mechatroniker anbieten“, sagt IG-Metall-Sprecher in NRW, Wolfgang Nettelstroth. Nur durch diese Zwischenstufe in der Vollausbildung könne die Ausbildungsschwelle niedrig gehalten werden. Das Ausbildungsniveau im Kfz-Bereich sei in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen und werde stetig weiter steigen.
Die im verkürzten Modellausbildungsgang zum Servicemechaniker ausgebildeten Jugendlichen sollen Wartungsarbeiten, die Fehlerdiagnose sowie Pflegearbeiten bei Fahrzeugen und im Betrieb übernehmen. Die Lehre soll bei einer anschließenden Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker angerechnet werden. Ab August sollen rund 440 Jugendliche diese Lehre absolvieren. Rechtlich abgesichert ist das landesweite Modellprojekt bis zum Jahr 2009 durch eine Erprobungsverordnung des Bundeswirtschaftsministeriums.
Zwar soll die Ausbildungvergütung im ersten und zweiten Lehrjahr mit der des Kfz-Mechatroniker identisch sein, doch die IG-Metall-Dachorganisation verweist auf die niedrigeren Löhne für ausgebildete Servicemechaniker und die sinkende Zahl an Ausbildungsplätzen im Kfz-Bereich
Erfreut über die Kurzausbildung sind dagegen besonders die Arbeitgeberverbände: „Unsere Kfz-Meisterbetriebe haben nicht nur neue Ausbildungsplätze geschaffen, sondern auch zusätzliche Arbeitsplätze für die fertigen Servicemechaniker“, sagt Dieter Berens, Vize-Präsident des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes stolz.
Inzwischen können Teilqualifikationen auch bei der Ausbildung zum Maler, Lackierer, Metallbauer, Gas- und Wasserinstallateur, Industriemechaniker und Bürokaufmann abgeschlossen werden. Besonders theorieschwachen Auszubildenden soll so nach den Plänen der der rot-grünen Landesregierung eine Lehre ermöglicht werden.
Die IG-Metall im Bund setzt stattdessen auf gezielte Förderung von Jugendlichen, notfalls sogar auf eine verlängerte Vollausbildung: „Wir brauchen Fördermaßnahmen für schwache Azubis, anstatt ihre Aufgaben zu reduzieren und die Löhne zu drücken.“