: Lokales Handeln für eine bessere Welt
Freie Modelle für eine freie Wissensgesellschaft. Open Source ist eine neue Form gesellschaftlichen Engagements, von der unter anderem auch Schwellenländer pofitieren können
Freie Software entsteht und entwickelt sich durch die Beteiligung einer Vielzahl von Menschen auf der ganzen Welt. Täglich werden es mehr. Das Open-Source-Prinzip geht aber mittlerweile weit über Freie Software und ihre Programmierung hinaus.
Während die 68er für Utopien und Träume auf die Straße gingen, schaffen ihre Kinder freie und offene digitale Infrastrukturen. Und füllen diese auch mit freien Inhalten und Leben – als globale Gegenbewegung zu einer zunehmenden Kommerzialisierung und Privatisierung von Wissen. Beide Generationen eint eins: der Wunsch nach (mehr) Freiheit, Offenheit, Gerechtigkeit, Demokratie und Nachhaltigkeit. Programmieren für die Dritte Welt oder den Schutz von Menschen- und Bürgerrechten ist auf einmal mit Hilfe eines Notebooks im Park liegend machbar. Eine neue digitale Ausgestaltung des Agenda-21-Prinzips „Global denken – lokal handeln“. Und sei es noch nicht einmal aus einer politischen Motivation heraus, kommt doch das Ergebnis durch die Verwendung von freien Lizenzen allen zugute. Offene und transparente Infrastrukturen können demokratisch hinterfragt werden, freie Verschlüsselungsprogramme schützen die eigene Privatsphäre, und Software wie Linux, OpenOffice und Mozilla kann überall als Zugang zur Wissensgesellschaft verwendet werden, ohne dass Lizenzgebühren dafür bezahlt werden. Und wir stehen erst am Anfang der Entwicklung. Einige Beispiele: Der nicht kommerziell orientierte Internetprovider Hostsharing.net e. G. funktioniert als Genossenschaft. Die Idee dahinter ist, den Open-Source-Gedanken auf einen Provider zu übertragen, an dem alle Mitglieder beteiligt sind. Weitgehende Mitbestimmung der Mitglieder und damit auch eine am Nutzer orientierte Entwicklung des Angebots. Das notwendige Know-how wird in Mailinglisten oder Internetforen offen diskutiert und dokumentiert, so dass aktive Mitglieder, aber auch Laien etwas lernen können. Mit Wikipedia.org entsteht eine freie Sammlung von menschlichem Wissen in Form einer Online-Enzyklopädie. An dieser kann jeder Interessierte mitarbeiten: indem er neue Artikel verfasst, bereits bestehende verbessert. Möglich machen das die so genannte Wiki-Technologie mit einem sehr niedrigschwelligen Zugang und die Motivation, an einem globalen Gemeinschaftsprojekt beteiligt zu sein. Die Inhalte der Wikipedia unterliegen der GNU Freie Dokumentationslizenz, das bedeutet, dass sie heute und in Zukunft frei zugänglich bleiben. Während auf der internationalen Seite schon über 130.000 Artikel in englischer Version stehen, hat das deutschsprachige Projekt bald die 20.000-Marke erreicht. Ein Blick lohnt sich. PingoS ist das Kommunikationsprojekt einer virtuellen Gemeinschaft zur Förderung von Linux in Schulen. Im ganzen deutschsprachigen Raum stehen versierte Linux-Nutzer in ihrer Freizeit bereit, Schulen bei der Einrichtung und Wartung von Linux-Rechnern zu unterstützen. Die Mitglieder richten die Rechner vor Ort ein oder helfen aus der Ferne via Internet und Telefon. Andere Aktive kümmern sich um organisatorische Belange, wie das Auffinden brauchbarer Hardware oder Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Mit Pro-Linux gibt es seit wenigen Jahren eine deutschsprachige Anlaufstelle für aktuelle Informationen rund um Linux und Freie Software. Neben Berichten über Software-Neuerscheinungen und Anleitungen kommt auch der Support nicht zu kurz. In Internetforen wird Einsteigern geholfen. Ende des Jahres findet auf Betreiben der Entwicklungsländer der erste UN-Weltgipfel zur Informationsgesellschaft statt. Hierbei bieten Freie Software und das Open-Source-Modell vielfältige Chancen, die digitale Spaltung der Welt zu verringern und den Zugang zu Wissen und Informationen zu verbessern.
MARKUS BECKEDAHL
Der Autor, 26, ist Vorsitzender des Netzwerkes Neue Medien e. V. (www.nnm-ev.de)