: Parteibilanz bleibt trübe
Unabhängige Kommission kritisiert undurchsichtiges Finanzgebaren der politischen Parteien – und schlägt dennoch die eigene Abschaffung vor
AUS BERLIN ULRIKE HERRMANN
Erst knapp zwei Jahre ist das neue Parteiengesetz alt, das weitere Spendenskandale verhindern soll – aber schon gibt es Kritik: Die unabhängige Kommission für Parteienfinanzierung nannte es gestern „ein gravierendes Defizit“, dass die Parteien immer noch nicht die doppelte Buchführung verwenden. Stattdessen erstellen sie „Überleitungsrechnungen“, um ihre Einnahmen-und-Ausgaben-Rechnung mit ihrer Vermögensbilanz zur Deckung zu bringen.
Die Parteien trauen ihren ehrenamtlichen Schatzmeistern auf Ortsebene nicht zu, die doppelte Buchführung fehlerfrei anzuwenden. Dieses Argument quittierten die fünf unabhängigen Experten gestern mit höflicher Häme. Es sei „nicht einzusehen, warum den Parteien nicht möglich sein soll, was im Bereich der gemeinnützigen Vereine offenbar ohne Probleme praktiziert wird“.
Genauso wenig sieht die Kommission ein, dass ein Wirtschaftsprüfer zwar die Abrechnungen der Parteien überprüfen muss, dass dieser Prüfbericht aber nicht an den Bundestagspräsidenten weitergeleitet wird, obwohl er Verstöße gegen das Parteiengesetz ahnden soll.
Noch bizarrer: Der Bundestagspräsident ist auch nicht ermächtigt, in Verdachtsfällen einen eigenen externen Wirtschaftsprüfer zu bestellen. Das neue Parteigesetz erlaubt dies nur „im Einvernehmen mit der Partei“. So viel Einfluss auf die Ermittlungen wird Verdächtigten sonst nicht eingeräumt.
Zudem ist die staatlichen Parteienfinanzierung recht zersplittert und damit unübersichtlich. Steuergelder gehen nicht nur an die Parteien, sondern auch an ihre Umfeldorganisationen und die parteinahen Stiftungen. Hinzu kommen die Mittel für die Fraktionen, die Abgeordneten sowie ihre Mitarbeiter. Die Kommission empfiehlt daher, dass die Bundesregierung regelmäßig einen „Politikfinanzierungsbericht“ vorlegt.
Allerdings hatte die Kommission gestern nicht nur Bedenken vorzubringen. Es gab auch Lob für das neue Parteiengesetz, das immerhin „einen Großteil“ der Empfehlungen der Kommission umgesetzt habe. Die Vorsitzende Hedda von Wedel, die dem Europäischen Rechnungshof angehört, würdigte vor allem, dass bei einer „vorsätzlich falschen Rechnungslegung“ inzwischen eine Strafe von bis zu drei Jahren droht.
Ebenso zufrieden ist die Kommission mit dem neuen Spendenverbot für öffentliche Unternehmen und mit der Vorschrift, dass Großspenden ab 50.000 Euro zeitnah beim Bundestagspräsidenten veröffentlicht werden müssen. Auch das „Mehr-Augen-Prinzip“ wurde in das Gesetz übernommen: Rechenschaftsberichte einer Partei müssen jetzt von mehreren Vorstandsmitgliedern gegengezeichnet werden. Zudem dürfen Einnahmen- und Ausgaben einer Partei nicht mehr einfach saldiert werden.
Die Kommission tagte gestern zum letzten Mal. Laut Parteiengesetz wird sie vom jeweils neuen Bundespräsidenten berufen und verliert ihr Mandat mit dem Ende seiner Amtszeit. Doch ob es ein Nachfolgegremium gibt, ist ungewiss. Als „Beitrag zum Bürokratieabbau“ schlug die Kommission gestern die eigene Abschaffung vor – jedenfalls als Dauerinstitution. Stattdessen soll der Bundespräsident ad hoc entscheiden können, ob er zum Thema Parteifinanzen die Beratung von Experten braucht.
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