: Das polizeiliche Führungszeugnis
Heute sitzt Wolfgang Wieland zum letzten Mal im Abgeordnetenhaus. Von 1987 bis heute säumten in Berlin sechs Innensenatoren und drei Polizeipräsidenten seinen Weg. Was sie über ihren schärfsten Kritiker denken – und er über sie
PROTOKOLLIERT VON PLUTONIA PLARRE
Die meisten (ehemaligen) Innensenatoren und Polizeichefs waren sofort bereit, ihren langjährigen Gegenspieler zu charakterisieren. Die Aufgabe für Wolfgang Wieland: eine Assoziation zu jedem Namen. Natürlich wussten beide Seiten nichts von der Gegenüberstellung.
Wilhelm Kewenig (CDU)
Innensenator von April 1986 bis März 1989: Kewenig ist der Einzige, der keine Stellungnahme zu Wolfgang Wieland abgeben konnte. Er starb am 18. Juni 1993.
Wieland über Kewenig: „Ke… – wenig. Kessel und Kanallien. Unvergessen seine Kessel am Tauentzien, in denen nicht nur IWF-Gegner schmoren mussten, sondern auch Journalisten. Eins, zwei, drei – lasst die Leute frei. Zwei, drei, vier – alle bleiben hier. Fünf, sechs, sieben – Kewenig abschieben.“ FOTO: PARLAMENT
Erich Pätzold (SPD)
Innensenator von März 1989 bis Januar 1991: „Ich habe Wolfgang Wieland während der gemeinsamen Oppositionszeit von 1987 bis 1989 im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses kennen gelernt. Ich kann nur sagen: ein exzellenter Mann, ein tüchtiger Mann, ein anständiger Mann. Er hat seine Oppositionsrolle sehr gut gespielt – mit Biss, aber immer mit klugem Augenmaß.
Für mich, der ich 1989 mit dazu beigetragen habe, dass auch die SPD-Rechte Rot-Grün wollte, war es ein Urerlebnis. Lange standen sich Alternative Liste (AL) und SPD wie Hund und Katze gegenüber. Vor Herrn Wieland war Herr Kunzelmann AL-Vertreter im Innenausschuss. Bis dahin hatte man gedacht: Mit Grün kann man ja vielleicht, aber die werden nie einem Polizei- und einem Verfassungsschutzhaushalt zustimmen. Den Wandel hat damals menschlich und politisch Wieland mit vorbereitet.
Sein Weggang ist ein großer Verlust für Berlin, hoffentlich ein Gewinn für Brandenburg. Man weiß ja nicht, ob die Grünen ins Parlament gewählt werden. Wieland ist außerordentlich verlässlich und war 2001 ein sehr guter Justizsenator, leider nur ein halbes Jahr. Er ist vor allem ein engagierter Reformer, was man ja heute nicht mehr von jedem Sozialdemokraten sagen kann. Er ist ein Linker im besten Sinne des Wortes. Er hat auch begriffen, dass wir hier in Berlin kein Kaputtsparen brauchen, sondern eine durchgreifendende Verwaltungsreform. Er ist einer der besten Leute, die ich je in der Politik kennen gelernt habe, gerade auch vom Charakter her.“
Wieland über Pätzold: „Der Aufräumer, der nur einen einzigen Fehler machte: die Räumung der Mainzer Straße. Dieser einzige Fehler führte 1990 leider zum Koalitionsende des rot-grünen Senats.“ FOTO: PARLAMENT
Dieter Heckelmann (CDU)
Innensenator von Januar 1991 bis Januar 1996: „Kein Kommentar. Das reicht als Kommentar.“
Wieland über Heckelmann: „Er hat nicht nur in die Polizei hineinregiert, er hat auch in die Polizei hinein intrigiert und wurde selber um den Verfassungsschutz amputiert, als sich sein Pressesprecher in Rechtsaußenzirkeln bewegte.“ FOTO: PARLAMENT
Jörg Schönbohm (CDU)
Innensenator von Januar 1996 bis November 1998, jetzt Innenminister von Brandenburg: „Herr Wieland ist ein wortgewaltiger Mensch, der es liebt, zu polarisieren. Aber so furchtbar viel ist nicht dahinter. Vieles sagt und tut er nur wegen des Effekts. Zu meiner Zeit als Berliner Innensenator haben wir uns häufig gestritten. Gelegentlich hat er in die Trickkiste gegriffen und versucht, mich persönlich niederzumachen. Manchmal habe ich ihn aber auch als fairen Gegner erlebt.
Sein Weggang ist für Berlin kein Verlust. Für die Stadt ist er überhaupt nicht wichtig. Aber auch für Brandenburg ist er kein Gewinn. Wenn er hier ein bisschen von den Journalisten hofiert wird, liegt das vor allem daran, dass er ein guter Redner ist. Davon haben wir in Brandenburg nicht so furchtbar viele. Aber Brandenburg ist groß. Ich habe Herrn Wieland gesagt: Sie werden sich in Brandenburg noch verlaufen. Bis Sie wissen, wo was liegt, ist die Wahl zu Ende. Er wird im Speckgürtel ein paar Wähler ziehen, weil dort einige Berliner leben, die ihn kennen.
Aber in der Tiefe des Landes, in der Uckermark, in der Prignitz, in der Lausitz, im Westhavelland, da wird er nicht ankommen. Da geht es um die Frage: Windkraft? Nein! Er ist für Windkraft. Wir haben davon aber viel zu viel. Oder Dosenpfand. Eine Bierbrauerei in Frankfurt (Oder) ist deshalb fast Pleite gegangen.
Wieland ist ein typischer Vertreter der Toskana-Fraktion. Bei einer guten Flasche Wein zerbricht er sich auf hohem Niveau den Kopf über das Elend der Menschheit, träumt von Multikulti, hat aber keine Lösungen. Man merkt ihm an, dass er im Schatten der Mauer groß geworden ist. Er hat überhaupt nicht begriffen, was die deutsche Einheit für die Nation bedeutet.“
Wieland über Schönbohm: „Das war der Innensenator, der sich in Kreuzberg nicht mehr wie in Deutschland fühlte und deshalb in die Mark flüchtete. Dort werde ich ihn jetzt in der Tiefe des Raumes aufspüren. Ohne Frage: mein Lieblingsgegner. Auch in Brandenburg hat er keine Fortschritte gemacht. Er spricht davon, dass die Grünen im Speckgürtel einen einsamen Partisanenkampf führen. Wenn es vor seiner Terrasse in Kleinmachnow aus im Gebüsch raschelt, fragt er sich: Sind das Kaninchen, oder ist es die grüne Guerilla?“ FOTO: AP
Eckart Werthebach (CDU)
Innensenator von November 1998 bis Juni 2001: „Herr Wieland ist ein Parlamentarier mit Niveau, hat sich aber gerade in der Auseinandersetzung mit mir und der Polizei häufig in der Wortwahl vergriffen. Nach einem 1. Mai hat er in der Innenausschusssitzung davon gesprochen, dass wir in einem ‚Bullenstaat‘ leben. Oder er hat eine bestimmte Hundertschaft in der Polizei häufig als Prügelknaben bezeichnet. Meiner Meinung nach hat er ein rückwärts gewandtes Politikverständnis. Auch im neuen Jahrhundert hat er das Rechts-links-Schema zu seinem Schwerpunkt gemacht. Alles rechts von ihm war gewissermaßen rechtsradikale Politik. Unser persönliches Verhältnis war weiß Gott nicht freundschaftlich, war aber von gegenseitigem Respekt geprägt. Die Berliner Politik wird duch seinen Abgang nach Brandenburg noch langweiliger. Wenn ich ihm etwas mit auf den Weg geben könnte: Auch in der parlamentarischen Kontrolle kann man der Versuchung des Übermaßes erliegen.“
Wieland über Werthebach: „Stand von Anfang an mit der Demonstrationsfreiheit auf Kriegsfuß. Und wollte insbesondere den Regierungsbezirk zur demofreien Zone machen.“ FOTO: AP
Ehrhart Körting (SPD)
Innensenator seit Juni 2001: „Wieland war einer der Motoren für die Ablösung der großen Koalition. Damit hat er sich nach dieser verquasten Situation mit der Bankgesellschaft große Verdienste erworben. Bei den Debatten nach Terroranschlägen in den USA und in Madrid stand Wieland an der Spitze derjenigen, die gemahnt haben, das Augenmaß nicht zu verlieren. Er hatte gesagt: Das ist schrecklich, aber wir dürfen unsere Verfassungsgrundsätze nicht über Bord werfen. Trotz seiner brillanten Rhetorik ist er ein gemütlicher Mensch. Mit seiner Wortgewandtheit kann er aber auch hervorragend überdecken, dass er nicht auf ein Thema vorbereitet ist. Aus dem Stand heraus fällt ihm immer etwas ein, und es bleibt trotzdem spannend und lustig.
Aber bei aller Brillanz: Irgendwann muss es mal zum Schwur kommen. Um bestimmte Grundsatzfragen mogelt er sich herum. So gesehen ist er in der Politik der Artist, und ich bin als Innensenator derjenige, der die Kärrnerarbeit macht. Sein Weggang nach Brandenburg spricht für Flexibilität. Die wird schließlich von allen verlangt. Für die Brandenburger Grünen, die relativ farblos waren, ist Wieland natürlich ein Gewinn. Unabhängig von der politischen Couleur rechne ich Wieland zu meinen Freunden und werde auch künftig mit ihm einen Rotwein trinken gehen. Mein Rat an ihn: Bloß nicht verändern.“
Wieland über Körting: „Macht insgesamt eine richtige Politik. Er spart als erster Innensenator beim Sicherheitsapparat und hat erfolgreich Deeskalationsstrategien betrieben.“ FOTO: AP
Georg Schertz
Polizeipräsident von 1987 bis 1992: „In der Berliner Politik gibt es wenig Repräsentanten, die in der Lage sind, eine intellektuell so hoch stehende und pointierte Kritik zu äußern, wie Herr Wieland. Was ihn auch auszeichnet, ist, dass er ein außergewöhnlich fairer, nachdenklicher Gegner ist, der den Finger genau in die Wunde legt – dabei aber ohne jeden Hinterhalt, Häme oder Intrigen agiert. In einem Punkt haben wir uns getroffen: dass Polizeieinsätze in der Stadt mit dem Kopf zu entscheiden sind. Er hat bei mir natürlich auch in dem einen oder anderen Fall eine Gegenmeinung ausgelöst. Aber über das, was er sagte, hatte man nachzudenken.“
Wieland über Schertz: „Erzkonservativ aber geradlinig und das prominenteste Opfer von Dirty Heckelman.“
Hagen Saberschinsky
Polizeipräsident von 1994 bis 2000, verlängert bis 2001: „Ich habe Herrn Wieland als einen sehr intelligenten, besonders begabten Mann kennen gelernt, der die Dinge rhetorisch oft zugespitzt, manchmal auch überspitzt hat. Bei mir hat er hohe Anerkennung dadurch gefunden, dass er sich im Bereich der inneren Sicherheit sehr gut auskannte. Wir haben uns häufig gestritten. Aber er konnte zuhören und ließ sich auch überzeugen. Das hat ihn sympathisch gemacht. Er konnte aber auch sehr persönlich verletzen. Das hat manchmal schon wehgetan. Wenn es ihm gelingt, nicht zu polemisch zu werden – dazu ist er eigentlich intelligent genug –, könnte er für Brandenburg ein Gewinn sein.“
Wieland über Saberschinsky: „Dem wuchsen die Probleme der Polizei zeitweilig über den Kopf, was ihn aber nicht von einer Nachspielzeit abhielt.“
Dieter Glietsch
Polizeipräsident seit 2002: „Ich habe Herrn Wieland in diesen beiden Jahren als einen scharfen Beobachter kennen gelernt, einen kritischen Begleiter und einen ausgezeichneten Kenner der Berliner Polizei. Er genießt deshalb bei uns in der Behörde großen Respekt. Auch deshalb, weil er sich mit unserer Arbeit und unseren Problemen sehr ernsthaft auseinander setzt. Niemand ist unersetzbar. Aber Herr Wieland ist nicht nur von seiner rhetorischen Brillanz, sondern auch von seiner fachlichen Kompetenz und seiner persönlichen Art her – er verfügt auch über Charme und Witz – jemand, der so nicht seinesgleichen hat.“
Wieland über Glietsch: „Ruhiger, ausgeglichener oberster Sachbearbeiter der Polizeibehörde.“