Videos und Fotos von Folter und Mord mutieren zu Waffen, schrieb die taz am Donnerstag und druckte einen leeren Bildrahmen auf ihrer Titelseite. Die meisten LeserInnen zollten Respekt
: Intelligente Wahrheit

Gemeinhin bin ich kein Freund Ihre Blattes. Genau deshalb will ich heute aber auch nicht sprachlos bleiben: Ihre heutige Ausgabe mit dem großen „Blind-Bild“ finde ich bemerkenswert. Endlich einmal jemand, der nicht nur die Menschenwürde stets postuliert, um mit gleichem Atemzug unsägliche Bilder zu verbreiten – Hauptsache der Auflage hilft’s. Meinen Respekt für Ihre heutige Aufmachung. Vielleicht schaue ich jetzt dann doch öfters mal bei der taz vorbei …

GEORGE WYRWOLL, Frankfurt

„Es gibt keinen Grund, diese Bilder sehen zu wollen, der zu akzeptieren wäre.“ Vielen Dank, Herr Pickert, für diesen wohltuenden Kommentar. In Ihrer punktgenauen Analyse ziehen Sie eine wichtige Grenze zur Sensationslust, die leider mehr Teil des Problems als Teil der Lösung ist. Diese wächst leider umgekehrt proportional zur Bereitschaft, sich selber für eine bessere Welt zu engagieren!

MARCUS ERTZINGER, Hennef

Super Ausgabe – hinten und vorne intelligente Wahrheit. Zurzeit lohnt sich mal wieder jeder Cent für den politischen Preis. Jeden Tag.

LORENZ HUCKE, Dortmund

Der Beitrag spricht mir aus der Seele. Ich weigere mich, diese Bilder zu sehen, und ich empfinde die zunehmende Selbstverständlichkeit, mit der Leichen, Ermordete und jetzt sogar Morde im Fernsehen der Öffentlichkeit gezeigt werden, als abstoßend. Es gibt keinen Grund, solche Bilder (in dieser Masse) zu zeigen. Der Mensch hat eine Würde – auch im Tod. Bilder rütteln auf und erschüttern, aber die Medien haben kein Recht, aus dem Leid der Menschen unter fadenscheinigen „Aufklärungsargumenten“ Profit zu ziehen. Es wäre wichtig, dass sich die Medien auf objektive Berichterstattung konzentrieren. Dann würde auch die Gewaltspirale in unserer Gesellschaft wieder verlangsamt. UTA BOKELMANN, Königswinter

Eine dumme Frage: Hätte denn Nick Berg auch dann vor laufender Kamera sterben müssen, wenn die US Army nicht in den Irak marschiert und ihn besetzt hätte? WINFRIED SCHNEIDER, Düsseldorf

So viel Heuchelei hätte ich euch nicht zugetraut: Tagelang veröffentlicht ihr quasi als Fortsetzungsserie die Folterfotos und verfallt dann plötzlich in Moralduselei – weil’s jetzt ein Mitglied der „westlichen Wertegemeinschaft“ getroffen hat? Oder beziehen sich eure Skrupel nur auf die Präsentation des abgesäbelten Kopfes? Dann zeigt doch wenigstens den Restkörper. Der leere Titel hätte an den Anfang der Folterbildberichterstattung gehört. Aber da musstet ihr wohl mitlaufen. AUGUST MÜLLEGGER, Friedberg

Ich verbeuge mich tief vor der taz und Bernd Pickert. Der Titel „Bilder als Waffen“ ist nicht nur eine Sternstunde des Journalismus, sondern auch ein Schlag ins Gesicht all jener, die Gewalt gegen andere als legitimes Mittel der persönlichen und politischen Auseinandersetzung betrachten. Obendrein entblößt er schonungslos die gewissenlose Geschäftemacherei mit dem Leid anderer.

Die Reaktion der Amerikaner auf die Anschläge des 11. September 2001 war grundverkehrt. Statt mit Gegengewalt zu antworten, hätten sie ihre Truppen aus den arabischen Ländern abziehen und durch Entwicklungshilfe und Diplomatie Einfluss auf die dortige Entwicklung zu nehmen versuchen sollen. Nun ist es zu spät. Nur ein Abzug der Amerikaner und ihrer Verbündeten aus dem Irak und Afghanistan und die Entsendung von UNO-Truppen, die sich vorrangig aus arabischen Ländern rekrutieren sollten, können zur Befriedung der Welt beitragen. PAUL HOCHMANN, Haltern am See

Die Aufregung und endlose Debatte um Folter scheint die beste Gelegenheit, sich am Kern der Sache vorbeizudrücken. „Der Lebensinhalt des Krieges, den Mord, Plünderung und Schändung bilden …“, so Karl Kraus 1919. Hundert Jahre später Andreas Zumach in der taz vom 7. Mai: „Kriege und militärische Einsätze haben grundsätzlich eine dehumanisierende Wirkung … Nur die Verhinderung von Kriegen bietet eine Gewähr, dass Folter und die entwürdigende Behandlung von Gefangenen künftig nicht mehr stattfinden.“

Um uns blind zu machen, verkauft man uns jetzt schamlos Wirkung als Ursache. Folterbilder blenden den dunklen Hintergrund aus, in dem gut gelaunte Hasardeure in West und Ost Länder einnehmen, als wäre es ihr Besitz, Kriege führen und immer schrecklichere Waffen entwickeln lassen, um die Menschheit ein neues Abc zu lehren, das ihr den Garaus machen soll. Nur ein unabhängiges Tribunal für Kriegstreiber, eine Rückkehr zu Recht und Abrüstung können diesem Irrsinn ein Ende setzen. PETER R. FRANK, Heidelberg

Ich habe mich außerordentlich über Ihr Nicht-Bild auf der Titelseite gefreut. Auch Ihre Ankündigung, endlich eine Grenze ziehen zu wollen, ist mehr als lobenswert und schon lange erstrebenswert.

Aber lieber Herr Pickert: Wird da nicht der Wunsch Vater des Gedankens bleiben? Meinen Sie wirklich, dass sich Ihre Berufskollegen urplötzlich an solch unwichtige Kriterien wie Wahrheit und Moral erinnern, wenn doch ganz offensichtlich per Dauernegierung ebendieser Werte durch Bild, Express, Sat.1, RTL und RTL2 so erfolgreich bearbeitet wurden, dass wir uns nur noch dann über etwas aufregen, wenn es uns bildlich vor Augen geführt wird? Wird eine Folterung erst dann wahr, wenn es ein Bild davon gibt? Ist nicht viel mehr davon auszugehen, dass hier nur ein Sandkorn am Strand gezeigt wird?

Warum hat das jetzt so entrüstete Volk in Gestalt von Bild nicht bei den zahllosen Folterungen und Tötungen der jüngeren Vergangenheit aufgeschrien? Vielleicht, weil das Opfer (Berg) aus der westlichen Welt kommt? Mich, Herr Pickert, brauchten Sie nicht zu überzeugen. Ich habe die Geste Ihrer Titelseite verstanden. Die Wahrheitsjongleure von Springer auch? MICHAEL DE LOEWE, Düsseldorf

Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.