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Archiv-Artikel

Die Öl-Tanker vom Lande

Ernst-August Wolkenhauer und Jörg Baumgarte produzieren und fahren mit Rapsöl. „Wir brauchen einen Monat, bis das Öl getankt werden kann.“ Die beiden Hannoveraner Landleute hatten dieselbe TV-Sendung gesehen. Das hatte Folgen

Am Anfang stand eine Fernsehsendung. „Das muss 1999 gewesen sein. 2000 haben wir schon unser eigenes Rapsöl getankt.“ Ernst-August Wolkenhauer und Jörg Baumgarte müssen ein wenig überlegen, bevor sie sich erinnern, wie alles einmal angefangen hat. Hier in Kaltenweide, im Norden von Hannover, in der Freien Bauernschaft, läuft vieles noch nach lang erprobten Verfahren. Jeden Monat treffen sich die Landwirte. Dabei sind auch Wolkenhauer, der einen 100-Hektar-Hof bewirtschaftet, auf dem seine Familie seit 400 Jahren sesshaft ist, und Baumgarte, der Landwirtssohn, der auf dem Flughafen Hannover für die Abfallbeseitigung zuständig ist.

Wolkenhauer hat vor ein paar Jahren bereits Raps angebaut. Damals auf Stilllegungsflächen. Mit den Regelungen, die damit verbunden sind, hat er sich aber nicht anfreunden können. Für viele Landwirte ist die Bewirtschaftung der Stilllegungsflächen ein willkommenes und sinnvolles Zubrot. Zum einen erhalten sie die Stilllegungsprämie, die der Erhaltung des Hofes dient, und dann kommen noch die Erträge für die Pflanzen dazu. Immerhin sind das heute zwei bis vier Tonnen Raps pro Hektar, aus denen 900 bis 1.700 Liter Biodiesel raffiniert werden können. Außerdem hilft die Zwischensaat, die Flächen nutzbar zu halten. „Wenn sie erst nach einem Jahr wieder an die Fläche gehen, sind die Kosten für die Rekultivierung viel zu hoch“, erklärt ein Fachmann von der Raiffeisen Genossenschaft Nord. Die spart sich der Landwirt.

Allerdings sind die Landwirte gezwungen, das gesamte Saatgut an die Verwerter, in der Regel Ölpressen, weiterzugeben. Die pressen den Raps. Den Rapsschrot verwerten sie als hochwertiges Viehfutter. Das Rapsöl jedoch wird an Raffinerien geliefert, die in ihren Umesterungsanlagen daraus Biodiesel und Glycerin herstellen.

Der dünnflüssige Biodiesel ist leichter als Kraftstoff zu verwenden als das dickflüssige Rapsöl. „Ich muss im Winter den Kraftstoff nicht vorheizen, damit der Wagen anspringt“, erklärt Baumgarte den Unterschied.

Der Fernsehabend, über den die beiden auf einem der Bauerntreffen zufällig sprachen, brachte sie aber auf eine Idee. Warum nicht Raps anbauen und das Rapsöl selber tanken? Technisch ist das kein Problem. „Der Wagen ist schneller und der Sprit ist billiger“, antwortet ein junger Mann an der kleinen Hoftankstelle, nach den Vorteilen befragt, die das Rapsöl für ihn hat. Im Winter muss er halt normalen Diesel zutanken. „Das passt schon“, meint er. Dumm sei nur, dass die Garantie des Autoherstellers erlischt, wenn Rapsöl statt Biodiesel getankt wird. Eigentlich, so Baumgarte und Wolkenhauer übereinstimmend, gebe es dafür keinen Grund.

Baumgarte und Wolkenhauer gründeten kurz nach dem folgenreichen Fernsehabend eine GbR und begannen erneut mit dem Rapsanbau. Sie wollten das selbst versuchen. Mit Erfolg. Bis zu 30 Prozent der Fläche, die zum Wolkenhauer-Hof gehört, bepflanzen sie mittlerweile mit Raps. Mehr ist nicht drin, denn sie müssen Raps in die Fruchtfolge einbauen. „Den Rübenanbau müssen Sie auch noch abziehen“, erläutert Wolkenhauer: „Das sind auch Kreuzblütler.“

Die Presse haben sie gebraucht gekauft: „Eine Vorführanlage“, gesteht Baumgarte ein. Die Filteranlage haben sie selbst konstruiert. Unter anderem ist hier ein Bierfass – der Länge nach geteilt – als Überlauf eingesetzt. Fünf-, sechsmal lassen sie das Öl über Senkkammern laufen, in denen sie die Sedimente und Trübstoffe absinken lassen. Am Ende wird das Rapsöl durch einen feinporigen Filter geführt. Das dauert. „Wir brauchen halt einen Monat, bis das Rapsöl getankt werden kann. Professionelle Werke schaffen das natürlich viel schneller.“ Aber die beiden hannoverschen Rapsölscheiche haben Zeit. Und sparen dabei.

Etwa 50.000 Liter Rapsöl produziert die Wolkenhauer & Baumgarte GbR pro Jahr. Baumgarte fährt 100 Prozent mit Rapsöl, Wolkenhauer immerhin zu 50 Prozent. Da sie keine Stilllegungsflächen in Anspruch nehmen, dürfen sie nicht nur den Raps selbst pressen und das Öl als Treibstoff verkaufen. 65 Cent pro Liter wollen sie seit November dafür haben. Auch das Rapsschrot vermarkten sie. Anders würde sich der Rapsanbau nicht lohnen. Mit ungefähr zehn Prozent Restfett ist das Schrot ein beliebtes Viehfutter. „Seitdem wir die neuen Sorten benutzen, sind auch die Bitterstoffe raus.“ Baumgarte weiß vom schlechten Ruf, den der Raps einmal hatte. Heute nutzen es die beiden Rapsölfabrikanten sogar als Salatöl. Zum Beweis stippt Baumgarte mit dem Finger in das Litermaß, das er mit der zähen, gelben Flüssigkeit gefüllt hat: „Probieren Sie mal!“ WALTER DELABAR