: Der Mann aus der zweiten Reihe
Der fideltreue Orthodoxe Esteban Lazo ist seit Montag neuer Chefideologe der kubanischen Kommunistischen Partei
„Für Revolutionäre ist es ein Privileg diese 40 Jahre miterlebt zu haben, um dass sie viele Menschen in der Welt beneiden.“ Esteban Lazo Hernández hat diese 40 Jahre miterlebt und aus seiner Rede zum 40. Jubiläum der kubanischen Revolution am 1. Januar 1999 stammt auch dieses Zitat. Lazo, damals Generalsekretär der kommunistischen Partei Kubas für die Stadt Havanna, durfte ans Mikro. Eine kleine Auszeichnung für den verdienten Parteikader, der am vergangenen Montag auf einen der einflussreichsten Posten innerhalb der Partei berufen wurde. Der 59-Jährige übernimmt José Ramon Balaguers Posten im Zentralkomitee und wird somit die ideologische Grundlinie der Partei festlegen. Der Job als Chefideologe gilt als drittwichtigstes Amt in Kuba. Lazo ist folgerichtig die politische Hierarchie nach oben gefallen und gleich hinter den Übervätern der Revolution, Fidel und Raúl Castro, gelandet. Ein Karrieresprung, den sich der zur alten Garde zählende Lazo zäh erarbeitet hat, so die Parteizeitung Granma in ihrer Ausgabe vom vergangenen Dienstag. Esteban Lazo, jahrelang das einzige farbige Mitglied in den höchsten Führungsgremien, ist „Fidelista“ der ersten Stunde. Der 1944 geborene Mann ging als Jugendlicher in die Sierra Maestra und nahm an der kubanischen Revolution gegen die Diktatur von Fulgencio Batista teil. Anschließend meldete er sich zur freiwillig zur Alphabetisierungskampagne und machte als Militante, als Vorkämpfer, auf sich aufmerksam. 1963 erfolgte der Parteieintritt und sein erstes Amt übernahm Esteban Lazo in der Provinz Matanzas.
Dort in der Kleinstadt Jovellanos wurde der Mann mit dem mächtigen Schädel Sekretär für Erziehung und Organisation. Neben dem Job, er arbeitete als Trockner im Reissektor, begann er Wirtschaft zu studieren. Der Universitätstitel eröffnete Lazo neue Möglichkeiten in der Parteihierarchie. Er stieg zum Parteisekretär für die Provinz Matanzas auf, wechselte dann in den Osten der Insel, nach Santiago de Cuba, wo er das gleiche Amt bekleidete, und landete schließlich in Havanna. Gut neun Jahre ist das her und immer hatte sich Lazo bei großen Politevents im Hintergrund gehalten. Er stand zwar seit seiner Aufnahme ins Politbüro 1986 immer auf der Bühne, drängte sich aber nicht in den Vordergrund. Seit seinem Wechsel nach Havanna hat sich daran einiges geändert. 1998 war er einer der Vorkämpfer gegen die um sich greifende organisierte Prostitution in Havanna. Er nahm die Gespräche mit den ausländischen Unternehmen auf, um die Kuppelei in den Hoteldiskos einzustellen, und sorgte auch für die vorübergehende Schließung einiger Tanzschuppen – natürlich mit grünem Licht der Partei. Ein Jahr später warnte der Parteisekretär der Hauptstadt vor der steigenden Kriminalität und dem Verfall der Werte der Revolution.
Lazo gilt als orthodox und ausgesprochen loyal gegenüber dem politischen Establishment der Insel. Zu seinen ersten Aufgaben wird es vermutlich gehören, neue Kampagnen zu entwickeln, um die Bevölkerung des Landes auf harte Zeiten vorzubereiten. Die sind nämlich bereits angebrochen, denn die Spannungen mit der Europäischen Union haben zum Abbruch zahlreicher Kooperationsprojekte geführt. Der Bevölkerung zu erklären, weshalb eine neue Diät à la cubana droht, dürfte allerdings alles andere als einfach sein.
KNUT HENKEL