: Verwirrspiel um Haider
Österreichs umstrittener Politiker will zurück an die Parteispitze. Das wäre das Ende der Koalition
aus Wien RALF LEONHARD
Herbert Haupt ist selten anderer Meinung als sein Freund und Mentor Jörg Haider. Doch seit dem Wochenende tobt ein offener Konflikt der beiden um die Führung der FPÖ. Haider drängt seit Wochen danach, den Parteivorsitz wieder zu übernehmen oder – voräufig – mit Haupt zu teilen. Nach einer sechsstündigen Vorstandsklausur im steirischen Deutschlandsberg riskierte Haupt am Samstag den Befreiungsschlag und brachte die Frage zur geheimen Abstimmung. Ergebnis: mit nur 4 Gegenstimmen wurde „zur Kenntnis genommen, dass Haupt“ bis zum nächsten Parteitag 2004 „als Obmann zur Verfügung steht“. Haider, der nicht teilnahm, bezeichnete die Abstimmung als Fehler und erklärte sich neuerlich bereit, die Verantwortung „jederzeit“ wieder zu übernehmen.
„Die Tatsache, dass ein gewählter Bundesparteiobmann nicht vor dem regulären Parteitag abgesägt wurde, ist der Höhepunkt der Arbeitsklausur einer Regierungspartei. Na bravo“, höhnte der Grüne Karl Öllinger: „Mehr ist zum Zustand dieser Partei nicht zu sagen.“
Tatsächlich erinnern die Ereignisse der letzten Wochen fatal an den internen Machtkampf, den Haider vor einem Jahr vom Zaun brach, und der mit dem Rücktritt der Parteichefin Susanne Riess-Passer, Neuwahlen und dem Absturz der FPÖ endete. Die jüngste Debatte um die Pensionsreform bot dem politisch bereits scheintoten Haider eine Plattform, die Interessen des „kleinen Mannes“ lautstark zu verteidigen, während Haupt als Sozialminister das von der ÖVP ausgeheckte Projekt formal zu verantworten hatte. Zuletzt brachte Haider die FPÖ-Abgeordneten im Bundesrat, der Länderkammer, dazu, gegen die vom Nationalrat bereits abgesegnete Reform zu stimmen, wodurch das Gesetz sechs Wochen blockiert wird. Darauf konnten auch die mit ihrem Koalitionspartner sonst sehr geduldigen ÖVP-Minister ihren Groll nicht verheimlichen. Und Haiders Ankündigung, die Mehrfachbelastung Haupts als Vizekanzler, Sozialminister und Parteichef müsse „auf mehrere Schultern verteilt“ werden, brachte in der ÖVP-Zentrale die Alarmglocken zum Schrillen. Der Wechsel schien unmittelbar bevorzustehen.
Als Haider verkündete, es sei ein Fehler gewesen, vor drei Jahren unter dem Druck Europas die Parteiführung abzugeben, pflichtete Haupt ihm gehorsam bei: er habe das auch immer so gesehen. Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) sprach darauf die Drohung am deutlichsten aus. Wenn Haider die FPÖ wieder übernehme, müsse „die Geschäftsgrundlage der Koalition“ neu überdacht werden. Das dürfte wohl auch Herbert Haupts gewichtigstes Argument gegen den Wechsel gewesen sein.