: Papa Schlumpf und der Star
Lothar Bisky kehrt beim PDS-Sonderparteitag mit 78 Prozent der Stimmen ins sozialistische Zwergendorf zurück. Mit ihm soll wieder Frieden einkehren – und Gregor Gysi. Über strittige Themen schweigt er lieber, um die Sozialisten nicht zu erschrecken
von ROBIN ALEXANDER
„Heute ist ein guter Tag, es scheint uns die Sonne so hell“, wird bei der Eröffnung des PDS-Parteitags aus einem fröhlichen DDR-Kinderlied zitiert. „Heute ist ein guter Tag zum Sterben“, kommentiert ein junger Delegierter mit dem Spruch der Klingonen. Aber die PDS ist nicht mehr „Star Trek“, wo seltsame Wesen aus fernen Universen aufeinander schlagen.
So war es vor einem halben Jahr, auf dem letzten Parteitag in Gera, wo die Sozialisten einander „Opportunisten“ schimpften oder „Gefühlssozialisten“ und einen Vorstand um Gabi Zimmer wählten, dem es nie gelang, Kontakt zum Planeten BRD aufzunehmen. All das soll nun vorbei sein: Die Gefechte in Paralleluniversen sind abgesetzt, stattdessen läuft ein älteres PDS-Programm: die sozialistischen Schlümpfe. Deren Dorf liegt sehr abseits von der Welt, dafür geht es dort putzig zu und nicht gemein. Im sozialistischen Dorf herrscht wieder Frieden: Papa Schlumpf ist zurück.
Lothar Bisky, 61 Jahre, altbekannter und mit 78 Prozent neuer Bundesvorsitzender, gab als Motto aus: „Vorwärts, zurück in die Politik“. Bisky referiert 45 Minuten, aber ausgerechnet den Redeteil lässt er weg, der sich mit dem Umbau der Sozialsysteme und der Wirtschaftskrise beschäftigt. Bisky beschäftigt sich mit der PDS. Die werde nicht von streitenden Flügeln getragen, sondern von einem „breiten demokratisch-sozialistischen Grundstrom“. „Flügelexponenten“ hat Bisky von Vorstandskandidaturen abgehalten. Sein Geschäftsführer, sein Schatzmeister und eine Stellvertreterin kommen aus Biskys Brandenburger Landesverband und zeichnen sich vor allem durch Verlässlichkeit aus. Als kompetent gilt Wolfgang Methling, Tierarzt und Umweltminister in Mecklenburg-Vorpommern.
Die Rolle des Farbtupfers, die einst Angela Marquardt erfolgreich ausfüllte, muss neu besetzt werden, weil die Antifa-Aktivistin sich nach Gera angewidert abwandte. Dafür hat der starke sächsische Landesverband Katja Kipping nominiert. Eine mutige Personalie: Die 25-jährige Dresdnerin verwahrt sich dagegen, über Jugend und Geschlecht wahrgenommen zu werden, und kokettiert doch mit beidem. Sie schlägt 1.000 Euro Grundsicherung für jeden vor und bescheidet Fragen nach der Finanzierung mit: „Das ist hier kein Fachkongress.“ Außerdem fordert sie eine „Arbeitswoche von 20 Stunden“. In der realen Welt ist die IG Metall gerade mit der 35-Stunden-Woche eingegangen.
Bisky schreckt davor zurück, die Delegierten zu fordern. Sein Intimus Heinz Vietze überredete die beiden verbliebenen PDS-Abgeordneten, im Bundestag gegen den Kongoeinsatz zu stimmen, um auf dem Parteitag einen Militarismusstreit zu vermeiden. Dem Berliner Landesverband, dessen Sparpolitik im rot-roten Senat vielen im Saal als „neoliberal“ gilt, springt Bisky nicht mit Argumenten, sondern mit Solidaritätsappellen bei: „Wir dürfen sie nicht in eine Regierung schicken und dann im Stich lassen.“ Bisky spricht von „Neustart“, aber sein Gesicht und seine Körperhaltung offenbaren einen müden Menschen, der seine Niederlagen bereits erfochten hat. Die abgelöste Zimmer bittet er: „Liebe Gabi, bitte lass mich mit den Lasten dieser Welt nicht allein!“ Bisky will nichts Neues formen, er versucht, Zerbrochenes zu kitten. Langsam. Vorsichtig. Kann er der Partei schon wieder Gregor Gysi zumuten? Der spricht überraschend doch noch auf dem Parteitag. „Die PDS hat an Gebrauchswert verloren“, stellt er fest und macht gleich ein paar Vorschläge: Die Unternehmen sollen nach Wertschöpfung in die Solidarsysteme einzahlen, nicht nach Beschäftigtenzahlen. Es soll eine Bürgerversicherung nach Schweizer Vorbild geben. Die PDS soll wieder in die Gesellschaft: „Wenn wir das ideologische Gerüst an die Spitze der Auseinandersetzung stellen, erzeugen wir gesellschaftliches Desinteresse und damit unseren Untergang!“ Einen, der nach Gysis Meinung in den Untergang gesteuert hat, ist die PDS erstmals los: Dieter Dehm, der mit dem Argument für sich warb, Bisky habe nicht das Recht, „einen Kandidaten wegzudrücken“, scheitert bei der Vorstandswahl mit nur 33 Prozent deutlich.
Beim Streit um die Regierungsbeteiligung mit oder ohne Opposition gegen die SPD hat Bisky sich nicht mehr eingemischt. Musste er auch nicht. Die körperliche Anwesenheit des neuen, alten Vorsitzenden reicht: Er kann die Welt nicht in Ordnung bringen, aber vielleicht das kleine Dorf der PDS. Das muss reichen. Hat ja früher auch gereicht. „Wie haben wir nur die Wahlen gewonnen?“, fragen einige auf den Gängen und wissen doch die Antwort: „Mit Gregor.“ Der hat zwar – wie in alten Zeiten – eine bejubelte Rede gehalten, aber immer noch hat die eigentliche Stimme der PDS weder Amt noch Mandat. Wie lange das so bleiben wird? Als Gysi stürmisch zur Unterstützung seines Freundes Bisky aufforderte, rief er in einem Nebensatz: „Um die PDS aus der Krise zu kriegen, reicht ein Tandem nicht aus!“ Ein Tandem ist ein Fahrrad für zwei.