: Die Legende 20 junger Menschen
Premiere als Abschluss: Das Theater-Projekt „Act“ für laut Arbeitsamt schwer vermittelbare Jugendliche mit künstlerischer Neigung gibt es seit zwei Jahren. Die aktuelle Gruppe tourt derzeit mit ihrer Jahres-Inszenierung in Bremen und umzu
Acht enge Kabinen, in die nicht mehr passt als ein Holzschemel. Die Beleuchtung ist düster, nur ein Vorhang trennt von der Außenwelt. Spartanisch, die Räume, in die sich die Seelen der Akteure zurückziehen; in die sie womöglich flüchten, wenn sich ihre Träume nicht verwirklichen: einsame Angsträume.
Eine Symbolik, die bestechend die Orientierungslosigkeit Suchender beschreibt. „resTräume oder die Legende eines jungen Menschen“ heißt die Abschlussarbeit des Projektes „Act“. Auch passen würde: Die Legende 20 junger Menschen. Denn das ist die Zahl der Teilnehmer an der in Deutschland einzigartigen Orientierungsmaßnahme. Alle gelten für das Arbeitsamt als „schwervermittelbare jugendliche Arbeitslose“ sprich: ohne oder nur mit abgebrochener Ausbildung. Alter: zwischen 18 und 25 Jahren.
Seit neun Monaten bietet ihnen das Gemeinschaftsprojekt von Volkshochschule und Kulturverein Quartier Einsicht in Theaterberufe – künstlerische, technische, gewerbliche.
Szene-erfahrene Dozenten und ein zweimonatiges Praktikum bringen den Bühnen-Alltag nahe. Die Inszenierung ist eine Collage aus Tanztheater, Schauspiel und Videotechnik. Inspirationsquelle ist die Kammeroper „Die Geschichte des Soldaten“ von Igor Strawinski, vor allem aber die von dem Schweizer Charles Ferdinand Ramuz erfundene Handlung: Ein Rekrut auf dem Weg „zwischen Chur und Waldenstadt“ wird vom Teufel zu einem Pakt überredet. In der Act-Inszenierung ist es stets eine Gruppe von Gegenspielern, die den jeweiligen Solisten bestürmt, ihn vom Podest drängt. Der Teufel, das sind die anderen. Insgesamt ein vorzeigbares Resultat. Und – das ist wichtig – ein Beleg der Suche nach Orientierung.
Junge Menschen mit künstlerischer Neigung sind in der staatlichen Berufsberatung oft ausgegrenzt. Das soll Act, 2001 ins Leben gerufen, ändern. „Wir bieten den Teilnehmern die Chance, zu sich selbst zu finden“, erklärt der künstlerische Leiter Wilfried van Poppel. Der Choreograph ist von der Entwicklung seiner Zöglinge beeindruckt. Ein richtiges Team sei da gewachsen. Zweck der Übung aber ist die Vermittlung in Ausbildungsberufe. Im vergangenen Jahr schafften es immerhin über 60 Prozent, auch diesmal ist gut die Hälfte der ‚Acteure‘ schon untergebracht: die einen in Schauspielschulen, andere in Betrieben für Veranstaltungstechnik.
Bisher wurde das Projekt vom europäischen Sozialfonds und vom Senat unterstützt, die Bundesanstalt für Arbeit steckte 2001 einen Zuschuss in Höhe von 100.000 Euro in Act: So konnte ein eigens ausgebautes Haus in Findorff angemietet werden. Fraglich allerdings, ob der Standard zu halten ist: Im Lauf der Woche werden Verhandlungen geführt. „Eine Unterstützung der Teilnehmerkosten ist allerdings zugesichert“, sagt Projektleiterin Regina van Düllen. Ebenfalls zugesagt sei die weitere Förderung durch die EU. Um das Projekt langfristig zu etablieren strebt das Leitungsteam eine Ausbildungspartnerschaft mit verschiedensten Betrieben im Norden an. Etliche seien bereits aquiriert, das Interesse sei groß.
Finanzielle Sicherheit kann auch den Akteuren auf der Bühne keiner garantieren. Aber schließlich verlassen die acht Protagonisten symbolträchtig ihre einsamen Fluchträume: zeitlupenartig, gemeinsam, aber doch individuell – erste Gehversuche. Und wie bemerkte doch mal ein schlauer Kopf: Der Weg ist das Ziel. Daniela Barth
Aufführungen: 2. Juli, Kasch in Achim und 4. Juli, Schlachthof, jeweils 20 Uhr, sowie 3. Juli, Kasch in Achim, 11 Uhr