„Da schafft man Investitionsruinen“

Winfried Lücking, Flussexperte des BUND, hält den vom Verkehrsministerium geplanten weiteren Ausbau der Havel für unwirtschaftlich. Stattdessen fordert er Geld für moderne, flussangepasste Schiffe mit weniger Tiefgang

taz: Herr Lücking, wieso protestiert der BUND gegen den Ausbau der Havel? Güter weg von der Straße, heißt es doch sonst immer, hin zur ökologischen Variante Fluss und Schiene.

Winfried Lücking: Im Prinzip stimmt das ja. Wenn es aber mit derartigen Schäden für die Natur – in Berlin etwa der Austrocknung der Tiefwerder Wiesen – verbunden ist, wird daraus ein ökologisches Desaster.

Dann hätte man der Schifffahrt aber mit dem Bundesverkehrswegeplan jahrelang etwas vorgemacht, wenn man jetzt den Ausbau platzen lässt.

Es gibt doch gar nicht die Transportmengen, die vor über zehn Jahren prognostiziert wurden, als der Verkehrswegeplan entstand. Der Bedarf ist teilweise um 75 Prozent gesunken. Das rechnet sich auch nicht, da schafft man milliardenteure Investitionsruinen.

Das mit den Investitionsruinen müssen Sie schon mal genauer erklären.

Man würde ausbauen für eine Kategorie von Schiffen, 185 Meter lange Schubverbände, von denen nach neueren Zahlen pro Woche nur einer über die Havel nach Berlin fahren würde. Für gängige größere Schiffe reicht die Ausbaustufe, die Ende des Jahres erreicht sein wird. Außerdem wäre es sinnvoll, auf moderne Binnenschiffe mit weniger Tiefgang zu setzen.

Wie soll das kleine, familiengeführte Schiffsunternehmen das finanziell hinbekommen?

Es gibt doch auch Milliarden für den Ausbau. Da ist es doch eine Frage des politischen Willens, dieses Geld umzuleiten und damit Flusskapitäne beim Kauf dieser modernen Schiffe zu fördern, die gar keine tieferen Fahrrinnen brauchen.

Morgen entscheidet das Bundeskabinett über den Verkehrswegeplan und damit auch den Havelausbau. Setzen Sie keine Hoffnung darauf, dass der grüne Umweltminister Trittin eine Änderung hinbekommt?

In dieser Richtung hören wir nichts. Im ersten Koalitionsvertrag von Rot-Grün wurde vereinbart, die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit nach dem Plan von 1992 inklusive Havelausbau unverändert zu übernehmen. Die Grünen haben offensichtlich nicht die politische Kraft, das zu verändern.

Und was sagt Ihnen der rot-rote Senat?

Da heißt es unter der Hand, dass man die Sache in etwa so sieht wie wir, dass man es sich aber mit dem Bund nicht verderben will, weil man wegen der Haushaltsmisere auf ihn angewiesen ist.

Hoffnungslos auf der ganzen Linie?

Unsere Kritik an dem Projekt scheint offensichtlich doch angekommen zu sein. Die brandenburgische SPD unterstützt zwar nach wie vor den Ausbau, hat aber in einem Beschluss des Landesvorstands von vor drei Wochen dies mit dem Zusatz versehen „… mit seinen noch festzusetzenden Parametern“. So würden sie nicht reden, wenn sie die jetzige Planung komplett akzeptierten. Es scheint sich etwas zu bewegen.

INTERWIEW: STEFAN ALBERTI