: Ein Profiteur des Populismus auf Erfolgskurs
Der Österreicher Hans-Peter Martin, der Kollegen im EP bespitzelte, könnte bei der EU-Wahl 13 Prozent erreichen
Hans-Peter Martin, der Abgeordnete, den 1999 der damalige SPÖ-Bundeskanzler Viktor Klima als Quereinsteiger an die Spitze der Liste für das Europaparlament nominiert hatte, sitzt allen wie ein Gespenst im Nacken. Monatelang hat er im EU-Parlament Kollegen und Kolleginnen beobachtet und mit einer Knopflochkamera heimlich gefilmt, wie sie sich in Anwesenheitslisten eintrugen.
Sein Vorwurf: Sie würden das großzügige Spesenregime systematisch missbrauchen. So fragwürdig seine Recherchemethoden auch sein mögen, Hans-Peter Martin hat einen empfindlichen Punkt getroffen, der bei den zunehmend EU-skeptischen Österreichern schnell zum zentralen Thema des Wahlkampfes wurde. Hans-Peter Martin, von der Sozialdemokratischen Fraktion verstoßen, hat es geschafft, gleichsam aus dem Stand eine eigene Wahlbewegung ins Leben zu rufen.
Der 46-jährige Vorarlberger beherrscht die Schlagzeilen in viel höherem Maß als nach der Veröffentlichung des Bestsellers „Die Globalisierungsfalle“ vor sieben Jahren. Diese spontane Prominenz hat er in erster Linie dem kleinformatigen Boulevardblatt Kronen Zeitung zu verdanken, das in ihm einen idealen Träger für eine Kampagne gegen Brüssel gefunden hat. Zwar wird er als unsympathisch empfunden und nur vier Prozent bringen ihm Vertrauen entgegen – so eine Umfrage in der jüngsten Nummer des Magazins Profil – doch wollen ihn 13 Prozent als Stachel ins Fleisch der „Privilegienritter“ nach Straßburg schicken. Damit liegt die Liste HPM an dritter Stelle. Die FPÖ kommt auf schwache 9 Prozent, und selbst die Grünen mit ihrem rührigen EU-Abgeordneten Johannes Voggenhuber liegen nur bei 11 Punkten.
Mit seiner Aufdeckungskampagne ist Hans-Peter Martin zu seinen Ursprüngen zurückgekehrt. Schon als 22-jähriger Jura-Student veröffentlichte er eine Aufsehen erregende Sozialreportage über die Arbeitsbedingungen in der Vorarlberger Textilindustrie. Später verdingte er sich in Wallraff-Manier als Tellerwäscher in einem Tiroler Nobelhotel. 1981 prügelte er in dem mit zwei Koautoren verfassten Buch „Gesunde Geschäfte“ die Pharmaindustrie. Der Weg für eine brillante Karriere beim Spiegel war bereitet. Allerdings ging eine besonders brisante Enthüllungsgeschichte in die Hose, als HPM einer Fälschung aufsaß, die den damaligen österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim in Nazi-Verbrechen auf dem Balkan verwickeln wollte. Martin ging zunächst als Korrespondent nach Rio und landete später als Leiter des Spiegel-Büros in Wien.
Martin gilt als Nervensäge und teamunfähiger Egomane. Mit den meisten seiner Mitstreiter hat er sich verkracht. Von den Mitautoren über die Kollegen in der Redaktion bis zu den Abgeordneten im Europaparlament klagt man über seine Präpotenz. Es gehe ihm nie um die Sache, sondern immer in erster Linie um die Selbstdarstellung.
RALF LEONHARD