Privatsache wird öffentlich

Schwulenmagazin outet Peter Kurth als homosexuell. Der CDU-Politiker dementiert das nicht. Parteisprecher: Privatangelegenheit des knapp gescheiterten Kandidaten für den Landesvorsitz

von STEFAN ALBERTI
und GEREON ASMUTH

„Wie wird er es wohl sagen?“, fragte sich Anfang Mai der schwule Satiriker Hinark Husen auf der Bühne des Wortvarietés „Dr. Seltsams Frühschoppen“: „Ich bin auch schwul, aber niemanden interessiert’s? Oder: Ich bin homosexuell, aber keiner weiß, wie man das schreibt?“ Exfinanzsenator Peter Kurth war da noch heißer Kandidat für den CDU-Landesvorsitz. Auch jetzt, über fünf Wochen nach seiner Niederlage beim Parteitag, redet er nicht Klartext. Aber er widerspricht gegenüber der taz nicht dem, was das Schwulenmagazin Sergej in der Juliausgabe über ihn schreibt: „Der offen schwul lebende Spitzenpolitiker“.

Beim Landesverband der Union gibt man sich unaufgeregt. „Das ist Peter Kurths Privatangelegenheit und hat mit Politik nichts zu tun“, sagte Parteisprecher Matthias Wambach. Der Tagesspiegel zitiert Kurth, die CDU sei dort angekommen, wo sie hingehöre, „mitten im Leben nämlich“. Solche Aussagen stehen im Gegensatz zu früheren Worten des Chefs der Schwesterpartei CSU, Edmund Stoiber. „Wenn ich über steuer- und erbrechtliche Anerkennung von homosexuellen Paaren diskutiere, dann kann ich gleich über Teufelsaustreibung diskutieren“, hatte der geäußert. Von diesem Zitat habe er noch nie etwas gehalten, sagt Kurth.

Der CDU-Mann ist nach dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und der Grünen-Fraktionschefin Sibyll Klotz der dritte bekannte Berliner Landespolitiker, der sich selbst outet oder ein Outing zumindest nicht bestreitet. Wowereit hatte im Juni 2001 bundesweit Schlagzeilen gemacht, als er beim SPD-Landesparteitag sagte: „Ich bin schwul, und das ist auch gut so.“ Klotz ist seit vielen Jahren bekennende Lesbe. Wie bei Wowereit war Kurths Homosexualität in Medien und Politik nicht unbekannt. Kurth hatte es aber stets abgelehnt, sich in breiter Öffentlichkeit dazu zu äußern. Ein Medien-Outing im Mai, als Kurth sich erfolgslos um Partei- und Fraktionsvorsitz bewarb, war wider Erwarten ausgeblieben. Weit vorgewagt hatte sich dabei kein Boulevardblatt, sondern eher die Süddeutsche Zeitung. Die zitierte aus CDU-Stammtisch-Atmosphäre von „solchen persönlichen Neigungen“. Jeder am Tisch wisse Bescheid, keiner wage, die Neigungen offen anzusprechen. In auffälliger Weise hatte Kurth in jener Zeit bei einer Parteiveranstaltung den Begriff „schwul“ vermieden: Während damals gängig von einer USA-Reise des Regierenden Bürgermeisters zu einem „Schwulenkongress“ die Rede war, bezeichnete Kurth dieselbe Veranstaltung stets als „Tourismuskonferenz“.

Der Arbeitskreis Lesben und Schwule in der Union (LSU), nach eigenen Angaben 50 Mitglieder stark, kritisierte, dass das Schwulenmagazin Kurth outete. „Ich halte das für keine vernünftige Umgangsform“, sagte LSU-Chef Jan Kayser, „jeder muss selbst die Initiative ergreifen, ohne unter Druck gesetzt zu werden.“

Die LSU, Ende April als Arbeitskreis der CDU Berlin anerkannt, ist ein Neuling unter den homosexuellen Gruppen der Parteien. Schon seit 25 Jahren hingegen gibt es die Arbeitsgemeinschaft schwuler Sozialdemokraten in der SPD, kurz Schwusos. Ähnliche Gruppen gibt es auch bei den Grünen mit dem Bereich „SchwuLesBische Lebensweisen“, bei der FDP mit dem Arbeitskreis „Neue Lebensformen“ und bei der PDS die Landesarbeitsgemeinschaft „queer“ (englisch für homosexuell).

Schwuso-Chef Stephen Jens Grunberg geht nicht davon aus, dass Kurths Outing große Konsequenzen hat. Wowereits Satz von vor zwei Jahren habe auch nicht zu Andrang bei den Schwusos geführt, die laut Grunberg knapp 200 Mitglieder in der Kartei und 20 bis 25 Aktive haben. Genauso wenig habe sich das auf die Zusammenarbeit mit dem SPD-Landesverband ausgewirkt: „Die war schon vorher gut.“