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Archiv-Artikel

Eine spielerische Begegnung mit dem Tod

In den Workshops der Trauerakademie Pütz und Roth in Bergisch Gladbach lehrt Puppenspielerin Heide Hamann Grundschülern den Kreislauf des Lebens. Mit Geschichten, szenischem Spiel und Gesprächen wird Kindern die Sache mit dem Leben und Sterben vermittelt. Die zeigen sich ganz abgebrüht

Von Claudia Lehnen

Wie goldenes Wasser sieht das aus, was Heide Hamann da durch die Finger rinnt. In leichten Wellenbewegungen fließt es vor der strahlenden Glühbirne in die Schüssel. Ein plätscherndes Geräusch ist nicht zu hören, nur ein leises Rieseln. Schließlich ist es kein Wasser, das da jetzt die Schüssel einnimmt, sondern feiner, gelber Sand.

Die Schülerinnen und Schüler der zweiten Klasse aus Biesfeld, die heute bei Puppenspielerin Heide Hamann an einem Workshop über Leben und Tod teilnehmen, sind begeistert vom „fliegenden Sand“. Sie sind sich einig: Das sah gar nicht tot aus, als der Sand da hinabrieselte. Den Kreislauf des Lebens möchte die Bensbergerin den Grundschulkindern erklären. Dass das Vergehen zum Leben ebenso dazu gehört wie das Entstehen. „Ich möchte den Kindern sagen: Fühle dich ganz lebendig! Genieße jeden Augenblick“, erklärt Hamann das Ziel ihrer Arbeit.

Um den Kindern mit Geschichten, szenischem Spiel und Gesprächen die Sache mit dem Leben und Sterben nahe zu bringen, trifft sie sich an einem Ort, den man nicht unbedingt als ideales Ausflugsziel für eine Klassenfahrt bezeichnen würde: in einem Beerdigungsinstitut. Genauer: in der Trauerakademie Pütz und Roth in Bergisch Gladbach. Um zum Bestattungsinstitut zu gelangen, das im Wald auf einer Anhöhe liegt, geht es einen verschlungenen Weg hinauf, vorbei an lebensgroßen Holzfiguren, aus deren Maserung die Fantasie Fratzen glotzen sieht. Vor dem Eingang wartet ein mit Glas ausgeschlagener Schacht, der an ein Grab erinnert.

Die Zweitklässler aus Biesfeld finden das alles ungeheuer spannend. Sie sind neugierig. Möchten gerne in den Keller, dahin, wo man die Toten sehen kann. Dorthin, wo es so kühl ist, „weil sonst stinkt das“, wie ein blondes Mädchen mit wippendem Zopf bemerkt. Vielleicht rührt die Abgebrühtheit daher, dass die Kinder schon Profis sind in Sachen Trauerakademie. Im vergangenen Jahr waren sie schon einmal hier. Schon damals haben sie von den Indianern gehört, die die Erde als Mutter verehren, aus der alles Leben entsteht und zu der alles Leben wieder wird.

Mit dem Tod haben die meisten von ihnen auch schon die ein oder andere Erfahrung machen müssen. Vor einiger Zeit sei sein Großonkel bei einem Treppensturz tödlich verunglückt. „Das war immer ein ganz netter“, erzählt ein Junge. Ein Mädchen erinnert sich an „die Mutter von Alex“, die aussah, „als würde sie schlafen“, und ein kleiner Blonder berichtet, bei der Beerdigung seiner Oma „ganz viel“ geweint zu haben.

Hamann will, dass die Kinder von ihren Erlebnissen berichten. Es sei gut, wenn Kinder trauern dürfen. „Erwachsene sollten sie nicht von diesem Thema fern halten. Das Traurigsein ist nämlich auch ein wichtiger Teil des Lebens“, sagt Hamann. Mehr als den Tod thematisiert die Sozialpädagogin, die hauptberuflich den Bensberger Puppenpavillon leitet, in ihren Seminaren für Schulkinder aber das Leben und dass es sich dabei um etwas Kostbares handle. Auch im Alltag muss man sich ihrer Meinung nach viel öfter trauen, lebendig zu sein. „Auch gelangweilt beim Computerspielen oder Fernsehen zu Hause zu sitzen, ist wie ein kleiner Tod“, davon ist Heide Hamann überzeugt.

Als der zweistündige Workshop vorüber ist, wollen die Kinder nur noch Eines: das „heilige Knoppers“, das sie – daran erinnern sie sich genau – vor einem Jahr als Abschiedsgeschenk erhalten haben. Ein Mädchen mit lockigem Haar muss nur dreimal den Mund aufmachen, um die Süßigkeit zu verschlingen. Dann jagt sie ihren Schulkameraden hinterher den Berg hinab. Vorbei an gläsernem Grab und fratzenhaften Statuen. Das Gejohle der Kinder hängt noch eine ganze Weile zwischen den Bäumen.

Schulklassen, die sich für einen Workshop bei Heide Hamann interessieren, können sich in der Trauerakademie Pütz und Roth in Bergisch Gladbach anmelden. Tel.: 02202-93580