Wochenübersicht: Bühne : Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen
Plötzlich schreit sogar das Amt des Bundespräsidenten dringend nach Opposition. Doch eigentlich genügt ein Blick auf die Spielpläne dieser Woche, um in René Pollesch den geeigneten Oppositionsführer zum Ex-IWF-Direktor im Bundespräsidialamt zu erkennen. Denn kaum ist Horst Köhler gewählt, der uns den Neoliberalismus als Staats- und Lebensform von höchster Instanz aus schmackhaft machen soll, schickt Pollesch „Pablo in der Plusfiliale“ am morgigenMittwoch auf die Bretter des Praters der Volksbühne in der Kastanienallee: „Gegen das Gesetz handeln ist offizielle Regierungsposition!!! Unsicherheit ist die politische Zielsetzung!“, skandieren gewohnt globalisierungsgeschädigte Individuen dort stellvertretend für ihre Brüder und Schwestern zwischen Lagos und São Paolo.
Die Schaubühne widmet sich diese Woche wieder dem geschädigten West-Individuum, zu dessen sensibelsten und radikalsten Beschreiberinnen die britische Dramatikerin Sarah Kane gehörte. Mit Benedict Andrews’ Inszenierung ihres berühmtesten Stücks „Gesäubert“ setzt die Schaubühne einen Zyklus mit den Dramen Kanes fort, in der manche die Ingeborg Bachmann der Generation Golf sehen.
Wie „Gesäubert“ handelt auch Leonora Carringtons Erzählung „unten“ von psychischen Ausnahmesituationen. Der Theaterdiscounter in der Monbijoustraße präsentiert ab Mittwoch eine Bühnenversion des 1940 nach der Verhaftung des Carrington-Gatten Max Ernst entstandenen Textes. Im Schiller Theater gibt es am Sonntag zum 60. Jahrestag des gescheiterten Hitler-Attentats am 20. Juli 1944 David Sternbachs Dokudrama „Stauffenberg“ zu sehen, das anschließend an historischen Originalschauplätzen vom Nürnberger Parteitagsgelände bis zur Wolfsschanze gastieren will.